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Modedesigner und Creative Director Virgil Abloh ließ seine Vorstellungen von künftigen Stilwelten in das konzeptionelle Fahrzeugdesign einfließen.
Mercedes-Benz Chief Design Officer Gorden Wagener (l.) und Modedesigner und Creative Director Virgil Abloh (r.). © 2021 Daimler AG. All rights reserved.

Prestige allein reicht nicht mehr aus, um jüngere Generationen von Kundinnen und Kunden zu beegeistern. Daimler und Virgil Abloh zeigen mit „Project Geländewagen“, wie man Millennials und Generation Z erreicht.

Von Lutz Dietzold.

Die Konsumenten von Luxusgütern werden immer jünger. Vorbei sind die Zeiten, in denen das eigene Haus oder Auto als identitätsstiftendes Merkmal Nr. 1 galt: „Sag mir, wie du wohnst und ich sage dir, wer du bist.“ Die Millennials, dicht gefolgt von der in den Neunzigern zur Welt gekommenen Generation Z, treiben den Markt voran. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company werden sie im Jahr 2025 für sogar 55% des weltweiten Luxusgüterumsatzes sorgen. Eindrucksvoll erleben wir bereits, wie vertraute Marken ihre Strategie für diese neuen Zielgruppen öffnen – man denke nur an Daimler und das im September 2020 präsentierte „Project Geländewagen“. Modedesigner und Creative Director Virgil Abloh ließ seine Vorstellungen von künftigen Stilwelten in das konzeptionelle Fahrzeugdesign einfließen, in Zusammenarbeit mit der Mercedes-Kreativabteilung ergaben sich markante Impulse. „Eine wilde Designstudie“ nannte die Presse das Projekt, das genau die Aufmerksamkeit auf sich zieht, die etablierte Luxusmarken für sich beanspruchen. Deutlich wird, wie stark der Einfluss der neuen Zielgruppe geworden ist und ihre Kaufkraft die Markenstrategen unter Druck setzt.

Sind Marken bereit für diese neue Zielgruppe? Was können wir von ihnen lernen? Diese Erkenntnisse helfen Ihnen bei der Antwort.

#customerexperience #communitymatters

"Project Geländewagen" von Daimler
© 2021 Daimler AG. All rights reserved.

Nicht mehr das Kauferlebnis stimuliert ihre Entscheidung für ein Produkt.  Dies dokumentieren die Online-Verkäufe während des Lockdowns: Beim E-Commerce fällt neben der fachlichen Beratung auch die Marken-konforme Produktpräsentation weg. Die Begehrlichkeit des Luxusguts zeigt die neue Zielgruppe erst in der Nachkaufphase bei der Inszenierung des Produktes auf Social-Media-Kanälen. Für Marken umso wichtiger sind die eigenen Kanäle wie Instagram und Youtube geworden, die mit den Konsumenten interagieren und ihren Auftritt innerhalb der Markenwelt verlängern. Es ist diese Customer Experience, welche die jungen Konsumenten an eine Marke bindet. Contests und Q&As zu Produktfragen animieren zur Auseinandersetzung mit dem Produkt. Über den Austausch entsteht Bindung zu einer Community der Gleichgesinnten.

#hiphop #virgilabloh #mercedes

Vorbei sind die Zeiten des stillen Konsums. Die junge Käuferschicht tritt aktiv in den Kosmos der Marke ein und wird zum Designer. Ob Streifen, Farben oder die eigenen Initialen, erst unter der Handschrift ihrer Konsumenten erfährt das neue Produkt die von Millennials und Generation Z erwartete Individualisierung. Unterschätzen Sie nicht die Symbolkraft der Integration! Schon die Hip-Hop-Kultur hat in unzähligen Songs der vergangenen zehn Jahre Luxusmarken befeuert und damit deren Produkte innerhalb der Community gleichsam zu Trophäen des „Dazugehörens“ erklärt. Strategische Allianzen mit Identifikationsfiguren wie Virgil Abloh, die den kreativen Prozess befeuern, machen die Marke für neue Communities zugänglich, denn seine Designsprache gehört zu ihrem Kulturkreis. Für Marken bedeutet dies ein radikales Umdenken. Jede Generation definiert die Motive und Triebfedern des Konsums auf Basis ihrer eigenen Sozialisierung und den individuellen Erfahrungen des Einzelnen. Die Generation Z zeigt uns radikal: Sie sind die besten Werbeträger, die sich ein Marketing-Team wünschen kann. Aber sie sind bereits um ein Vielfaches anspruchsvoller als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern. Nicht zuletzt in ihrem Aufmerksamkeitsbedürfnis.

#nachhaltigkeit #socialresponsibility #sustainableluxury

Modell von Daimers und Virgil Ablohs Geländewagen
© 2021 Daimler AG. All rights reserved.

Ihr Ruf nach Klimaschutz und einer Verankerung nachhaltiger Produktionsprozesse manifestiert sich auch in ihrer Anspruchshaltung als Konsumenten. Wer seinen Kunden beim Einkauf ein „Green Investment“ bietet, erhöht die Chance auf Loyalität um ein Vielfaches. Dabei verdeutlicht die Strahlkraft der Luxusmarken einmal mehr, wie hoch der Manufakturgedanke und die Fertigungsexpertise bei ihren jungen Followern im Kurs stehen. Herausragende Qualität ist die Basis für langlebige Produkte. Am Puls der Zeit aber ist nur, wer als Marke auch gesellschaftliche Fragestellungen aktiv aufgreift und den eigenen Transformationsprozess einleitet. Videos, die Transparenz im Herstellungsprozess und Investitionen in Nachhaltigkeit und Zirkularität vorweisen, schaffen Authentizität und Glaubwürdigkeit. Der „Purpose“ einer Marke wird zum Seismografen.  Denn auf dem Lebens-gefühl der jungen Generation lastet die soziale Verantwortung, durch ihr Konsumverhalten einen Richtungswechsel einzuleiten – hin zu mehr Sinnhaftigkeit und Vorbildfunktion für eine bessere Gesellschaft. Gemeinsam erleben.

Machen Sie sich bereit. Prestige war gestern.


Der Autor: Lutz Dietzold

Geschäftsführer Rat für Formgebung

Lutz Dietzold, Geschäftsführer Rat für Formgebung © Lutz Sternstein
Lutz Dietzold © Lutz Sternstein

Lutz Dietzold (*1966) ist seit 2002 Geschäftsführer des Rat für Formgebung. Zuvor war er selbstständig in der Designkommunikation tätig und verantwortete als Geschäftsführer des hessischen Designzentrums die strategische Neuausrichtung der Designförderung.

Fundiert auf seinem Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Germanistik in Frankfurt hat Lutz Dietzold langjährige Expertise in den Bereichen Design, Marke und Innovation. Sein Augenmerk gilt zudem der Förderung von Design und Designnachwuchs. Seit 2011 ist er Beiratsmitglied der Mia-Seeger-Stiftung und Mitglied im Vorstand der Stiftung Deutsches Design Museum, dessen Vorsitz er 2020 übernahm. Im selben Jahr wurde er in den Beirat des Dieselkuratoriums berufen und setzt sich dafür ein, die Vorreiterrolle wirtschaftlich erfolgreicher Innovatoren zu stärken.

Zudem engagiert sich Lutz Dietzold für die verstärkt internationale Ausrichtung des Rat für Formgebung und seines weltweiten Netzwerks von führenden Unternehmen aus Industrie und Wirtschaft. Dazu zählt der Aufbau einer Tochtergesellschaft in China.

Lutz Dietzold veröffentlicht regelmäßig Beiträge und hält national und international Vorträge zu einer Vielzahl von Themen. Daneben ist er Mitglied in zahlreichen Gremien und Jurys sowie Projektbeirat des Bundespreis Ecodesign des Bundesumweltministeriums.


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