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Ausstellungsansicht „The Great Repair“
Akademie der Künste, Berlin, 2023, Foto © David von Becker
Ausstellungsansicht „The Great Repair“, Akademie der Künste, Berlin, 2023, Foto © David von Becker

„The Great Repair“, so heißt es, „ist ein Oxymoron“. Im Titel träfen zwei scheinbar gegensätzliche Prinzipien aufeinander: „Die revolutionäre Ambition des radikalen Systemwechsels, ein Wesensmerkmal großer Lösungen, kollidiert mit dem evolutionären Akt der Reparatur. Denn trotz aller berechtigter (postmoderner) Skepsis gegenüber der Revolution als Denkfigur des Bruches dürfen wir den Anspruch auf tiefgreifende Veränderungen nicht aufgeben.“ Hintergrund der sich auch hierzulande intensivierenden Debatte um Reparieren statt Abreißen und neu Bauen, Wegwerfen und neu Kaufen, sind die gegenwärtigen ökologischen und sozialen Krisen. Das Projekt setzt beim vorherrschende Narrativ „einer grünen, wachstumsorientierten Transformation“ an, die verspricht, „die Klima- und Ressourcenkrise allein mithilfe technologischer Innovation in den Griff zu bekommen“. Solche Visionen „mit ihrem Effizienz- und Konsistenzversprechen“, so ist zu lesen, seien technikfixiert und nicht wirklich in der Lage, „das extraktive Paradigma“ zu überwinden. Zumal sich gezeigt habe, „dass die verschiedenen ,smarten‘ Lösungen oft gut mit unterschiedlichen Formen des staatlichen und unternehmerischen Konservatismus kompatibel“ seien. In der Architektur jedenfalls impliziere „die Technofixerzählung den Abriss von Gebäuden und deren Ersatz durch nur scheinbar nachhaltige Neubauten“. Mithin seien wir „zur Reparatur verdammt“, was angesichts einer Welt, die in jedem Augenblick altert und vergeht, keine überraschende Erkenntnis sei.

Die Ausstellung „The Great Repair“ präsentiert noch bis zum 14. Januar 2024 in der Akademie der Künste am Hanseatenweg in Berlin mehr als 40 Positionen aus Kunst und Architektur sowie Raumpraktiken, in denen Reparatur „als neues Gestaltungsparadigma“ greifbar werden soll. Die Ausstellung, so heißt es, setzte beim Akademie-Gebäude an und mache Prozesse und Räume der Instandhaltung und Pflege sichtbar. Das Spektrum reiche „von Alltagspraktiken der Sorgearbeit bis hin zu Beispielen für eine Baupraxis, die statt Neubau auf die Arbeit mit dem Vorhandenen setzt“. Mit der Ausstellung führt die Architekturzeitschrift Arch+ in Berlin gemeinsam mit ihren Projektpartnerinnen (Akademie der Künste, ETH Zürich und Universität Luxemburg) die Auseinandersetzung fort, die sie als Teil des Kurator*innenkollektivs des deutschen Beitrags auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig begonnen hat. Im Zentrum des Projekts steht die Erkenntnis, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem „mit seiner Betonung auf Innovation, Wachstum und Fortschritt zu einer rücksichtslosen Ausbeutung von Mensch und Natur geführt hat“. Die Architektur habe an diesem System keinen geringen Anteil, „wie die Statistiken zu Treibhausgasemissionen und Bau- und Abbruchabfällen beweisen“.

Begleitend zu der von Florian Hertweck, Christian Hiller, Markus Krieger, Alex Nehmer, Anh-Linh Ngo und Milica Topalović kuratierten Ausstellung sind zwei Ausgaben der ARCH+, Zeitschrift für Architektur und Urbanismus, erschienen. Der erste Band (Nr. 250, Politiken der Reparaturgesellschaft, Dezember 2022) dient der theoretischen Einführung, der zweite, bilinguale Band (Nr. 253, Praktiken der Reparatur) stellt entsprechende Praktiken vor.


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