4 Min Lesezeit

Austausch ist ihnen wichtiger als Abgrenzung: Ein Besuch bei Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome, den Designerinnen hinter Studio Œ. Ob im Kollektiv oder als Duo, die beiden denken konzeptionell und entwickeln ihre Entwürfe auf der Basis umfassender Recherchen.

Von Jasmin Jouhar

Studio Œ: Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome | Foto: Peter Oliver Wolff
Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome | Foto: Peter Oliver Wolff

Allein, zu zweit oder zu vielen: Die Designerinnen Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome haben schon in ganz verschiedenen Konstellationen gearbeitet. Ob im Kollektiv mit anderen Gestalter*innen, an der Hochschule oder in ihrer Bürogemeinschaft – Austausch ist ihnen wichtiger als Abgrenzung, voneinander lernen wichtiger als sich profilieren. Und, ja, viel Spaß macht ihnen das Arbeiten im Team oder in der Gruppe auch. Zu zweit sind Ertel und Oberkrome Studio Œ (sprich: Ö). Unter diesem Namen starten sie gerade eine kommerzielle Karriere mit ersten Entwürfen für den italienischen Möbelhersteller Mattiazzi oder die dänische Marke Our Society. Doch kollektive Unternehmungen wie etwa das „Farm Projekt“ auf einem Bauernhof im vergangenen Jahr, bleiben weiterhin wichtig, wie Lisa Ertel betont: „Als Gruppe hat man ganz andere Möglichkeiten. Man kann in kurzer Zeit etwas auf die Beine stellen und muss nicht warten, dass man gebeten wird.“ Anne-Sophie Oberkrome ergänzt: „Es ist wie eine Bühne, die man sich selbst schafft.“ 

Arbeiten mitten im Kollektiv

Wer die beiden Absolventinnen der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe in ihrem Berliner Büro besucht, kommt auch gleich mitten im Kollektiv an: Gemeinsam mit zehn anderen Kreativen teilen sie sich ein Studio in Kreuzberg, in der Nähe des Technikmuseums. Bis tief ins Gebäude hinein gehen die Räume von „Oben Studio“, es gibt einen eigenen Besprechungsraum, eine offene Küche und im Keller Werkstatt, Fotostudio und Lager. Mittags wird gemeinsam gekocht und alle paar Monate eine große Studioparty gefeiert. Neben der Eingangstür steht ein Exemplar ihres „Oto“-Beistelltisches für Mattiazzi, der im vergangenen Jahr auf den Markt gekommen ist. Zur Mailänder Möbelmesse im April wird das nächste Ergebnis der Kooperation mit dem italienischen Hersteller präsentiert, mehr können Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome jetzt noch nicht verraten.

Bio Design Lab – Hochschule für Gestaltung Karlsruhe | Foto: Arno Kohlem

Vom Baum zum fertigen Möbel

Die Möbelserie „Oto“ ist, da sind sich die beiden 33 Jahre alten Designerinnen einig, ein gutes Beispiel für ihre Arbeitsweise. Neue Aufgaben beginnen sie häufig mit einer umfassenden, konzeptionellen Recherche zum Thema. Im Fall der Holzmöbelserie „Oto“ haben sie den ganzen Weg vom Baum bis zum fertigen Möbel untersucht, wie Oberkrome erklärt. Ein Schwerpunkt war Mattiazzis Expertise in Frästechniken. Im fertigen Entwurf sind die Ergebnisse der Recherche zu erkennen: Entstanden ist in massives, kantiges Objekt, formal noch nah am Holzblock, aber durch eingefräste Rundungen verfeinert. „Es ist der Versuch, mit so minimalen Eingriffen wie möglich zu arbeiten“, sagt Oberkrome. „Aber genau dieser Eingriff macht aus dem Balken ein Möbel“, fügt Ertel hinzu. Immer wieder führt die eine den Satz der anderen weiter oder ergänzt die Argumentation um einen weiteren Aspekt. Fließend mäandert das Gespräch zwischen den beiden hin und her, ganz harmonisch wirken sie miteinander – bei einem Gestalter*innen-Duo nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. 

Studio Œ: ‚COVE: Polierter Edelstahl‘ 2023 für OurSociety

Studio Œ | ‚OTO: Okoumé‘ 2023 für Mattiazzi

Studio Œ | ‚Neil: Einzelstück (Prototyp)2017‘. Vitra Designmuseum Kollektion

Werkzeuge des Entwerfens vermitteln

Kennengelernt haben sich Anne-Sophie Oberkrome und Lisa Ertel am Anfang ihres Produktdesignstudiums in Karlsruhe, im Wintersemester 2011. Die offizielle Gründung von Studio Œ erfolgte zwar erst zehn Jahre später, doch gemeinsame Projekte gab es von Anfang an. „Das hat sich natürlich entwickelt“, sagt Oberkrome. Eine klare Entscheidung, dass sie sich zusammentun, habe es nicht gegeben, erinnert sich Ertel. Im Anschluss an das Studium gründeten sie das Designer*innen-Kollektiv „Fan“ mit und bauten an der HfG Karlsruhe das „Bio Design Lab“ auf. Das ist eine neuartige, experimentelle Werkstatt, in der an Materialinnovationen geforscht wird. Seit 2022 wiederum sind Ertel und Oberkrome als Mitarbeiterinnen im Designstudiengang der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg beschäftigt, an der Professur von Konstantin Grcic. Gemeinsam betreuen sie Studierende, halten Seminare ab und organisieren Projekte. Es ist ihnen ein Anliegen, Grundlagen und Werkzeuge des Entwerfens zu vermitteln. Und manchmal müssen sie die Studierenden auch motivieren, nach Kritik nicht den Mut zu verlieren und ein Vorhaben durchzuziehen.

Die richtige Balance finden

Schwierige Momente kennen die beiden Designerinnen selbst zu Genüge, etwa wenn es darum geht, die drei Bereiche ihrer Arbeit in der richtigen Balance zu halten: einerseits kommerzielle und kollektive Projekte, andererseits die akademische Lehre. Wie bei vielen jungen Designstudios kommen die Aufträge mal mehr, mal weniger regelmäßig. Und die Einnahmen fließen ebenfalls nicht kontinuierlich. Dennoch sind Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome guter Dinge. „Unser Ziel ist es, das Studio weiter aufzubauen und mit interessanten Unternehmen zusammenzuarbeiten“, sagt Oberkrome. Ertel fügt an: „Eigentlich darf es einfach so weitergehen, wie es gerade ist.“


Mehr auf ndion

Weitere Beiträge zum Thema Marke und Produktdesign.


Diese Seite auf Social Media teilen:

Print Friendly, PDF & Email