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Das schwedische Designstudio Form Us With Love entwirft Konzepte, Möbel und Produkte für namhafte Unternehmen wie Ikea oder Hem. Wir haben die beiden Gründer während der Stockholm Design Week 2024 besucht und mit ihnen über Nose to Tail in der Möbelindustrie gesprochen und darüber, warum sie so viele Kooperationsanfragen ablehnen.

Von Jasmin Jouhar

Foto: Form Us With Love

Auf der Stockholmer Innenstadtinsel Kungsholmen, unweit des berühmten Rathauses: Hier, direkt am Ufer des Sees Mälaren, liegt das Studio von Form Us With Love (FUWL). FUWL ist ein zehnköpfiges Designteam um die beiden Gründer John Löfgren und Jonas Pettersson. Sie entwerfen nicht nur Möbel und Produkte für Unternehmen wie Ikea, +Halle, Hem oder Keilhauer. Sie entwickeln auch Konzepte und haben bereits mehrere Unternehmen mitgegründet, darunter BAUX, einen Hersteller nachhaltiger Akustikprodukte.

Während der Stockholm Design Week zeigt ihr in eurem Studio die Ausstellung „Testing Grounds“ mit vier neuen Produktfamilien für die Unternehmen Stolab, Savo, Forming Function und Ateljé Lyktan. Vor welchen Herausforderungen steht ihr heute bei eurer Arbeit als Designer?

Jonas Pettersson: Wir fragen uns, wie wir Design nutzen können, um die Bedürfnisse der Menschen zu verstehen. Ein anderer Aspekt ist, wie wir Dinge auf intelligente Weise herstellen können. Und dann natürlich die Auswirkungen auf die Umwelt. Diese Aspekte kommen in der Ausstellung zusammen. Bei allen vier Produkten hat unsere Recherche zu einem modularen Design geführt. Wenn die Produkte aus einzelnen Teilen aufgebaut sind, haben die Kund*innen die Wahl. Die Produktion ist effizienter. Und darin liegt auch eine Antwort auf die Frage, wie man Dinge erweitern, reparieren und schließlich auseinandernehmen kann, um sie zu recyceln.  

Testing Grounds / Form Us With Love

John Löfgren: Ich würde es anders formulieren. Es sind keine Herausforderungen, es sind Möglichkeiten. Denn wir leben in einer Zeit, in der sich die Dinge neu sortieren. Die Möbelindustrie ist eigentlich eine ziemlich konservative Branche, aber es passiert gerade sehr viel, etwa beim Umgang mit Materialien. Das war vor drei oder fünf Jahren noch nicht so. Zum Beispiel die große Filzleuchte „Hood“ von ateljé Lyktan. Die ist schon seit über zehn Jahren auf dem Markt, aber jetzt haben wir ein Update entwickelt. Jetzt gibt es sie nicht nur aus recyceltem PET, sondern auch aus Wolle oder Hanf.

Eines eurer aktuellen Projekte heißt „Easy Mining“. Dabei geht es um Verwertungsmöglichkeiten für Klärschlamm. Was war eure Aufgabe?

Jonas Pettersson: Der Auftrag kam von Ragn-Sells, einem schwedischen Entsorgungsunternehmen. Sie planen gerade eine neue Anlage, in der Bestandteile von Klärschlamm verarbeitet werden sollen. In unserem Projekt ging es speziell um roten Quarzsand, für den sie bislang keine Verwendung hatten. Sie brauchten einen Nachweis, dass sie das Material verwerten können. Also haben wir untersucht, was man damit machen könnte. Farbe? Ziegel? Akustische Materialien? Sand ist nach Wasser das zweithäufig genutzte Material auf der Welt. Doch leider kann man den Quarzsand aus dem Klärschlamm nicht einfach direkt in die Bauindustrie einspeisen. Sie wollen neues Material.

John Löfgren: Es ist oft noch viel billiger, neue Materialien zu verwenden.

Jonas Pettersson: Vor einigen Jahren haben wir mit Ikea an einer Reihe von Produkten aus recyceltem Kunststoff gearbeitet. Dazu gehörte auch der Stuhl „Odger“. Damals ging es oft darum, ob die Kund*innen überhaupt schon bereit waren, ein Produkt aus recyceltem Material zu kaufen. Das war ein großes Fragezeichen. Aber wie sich herausstellte, waren sie es. Das hat vielen anderen Unternehmen den Weg geebnet: Wenn Ikea das kann, dann können wir das auch.

John Löfgren: Nehmen wir den Tisch aus der neuen „Alt“-Kollektion für Stolab: Wenn man ihn sich genauer anschaut, sieht man, dass er aus ziemlich kleinen Holzstücken besteht. Normalerweise werden solche Stücke in der Möbelindustrie gar nicht verwendet, sondern verbrannt. Wir müssen versuchen, Materialien möglichst umfassend zu nutzen, sozusagen Nose to Tail, wie beim Kochen. Dann kann aber nicht alles weiß und hochglänzend sein.

Jonas Pettersson: Es geht darum, die Normen zu ändern. Akzeptieren wir Unvollkommenheiten bei recycelten Materialien? In der Industrie ging es immer darum, zu perfektionieren, perfektionieren, perfektionieren. Material dafür schien endlos vorhanden zu sein. Aber bald werden wir zehn Milliarden Menschen auf der Erde sein, wir müssen Materialien wiederverwenden.

Wenn gerade so viel in Bewegung ist, sind das gute Zeiten für Designer*innen?

Jonas Pettersson: Ich bin da gespalten. Wenn es um mein Privatleben geht, die Familie, die Kinder, dann mache ich mir Sorgen um die Zukunft. Aber wenn ich zur Arbeit komme, spüre ich oft Begeisterung, ich fühle mich mehr gehört mit meinen Anliegen. Die Industrie will sich verändern. Es geht nicht mehr darum, noch mehr schöne Dinge zu machen.

Lehnt ihr auch Anfragen von Firmen ab?

Jonas Pettersson: Eigentlich können wir nicht gut nein sagen. Aber trotzdem lehnen wir ziemlich viele Anfragen ab, das passiert ganz natürlich. Wenn zum Beispiel jemand kommt und sagt: Da gibt es dieses bestimmte Produkt auf dem Markt, so etwas möchte ich auch. So etwas machen wir nicht. Wir müssen unsere Projekte ja auch in einem Team von zehn Leuten rechtfertigen. Da kann man nicht einfach sagen, das gefällt mir. Man muss begründen, warum ein Projekt relevant ist.

Ihr arbeitet viel mit Architekt*innen und Innenarchitekt*innen zusammen, die eure Produkte für ihre Projekte auswählen. Was sind deren Wünsche und Anforderungen?

John Löfgren: Wenn man fragt, bekommt man meistens die erwarteten Antworten. Aber unsere Aufgabe ist es, etwas zu entwerfen, das ein bisschen anders ist. Etwas, das man so vorher noch nicht gesehen hat. Ich bezweifle, dass vor 15 Jahren viele gesagt hätten, ich möchte alle meine Telefonate in einer kleinen Box führen, die aussieht wie ein Schrank. Aber genau diese Pods gibt es jetzt überall.

BAUX Acoustic Tiles | Form Us With Love

Jonas Pettersson: Es geht auch um den Kontext eines Produkts. Ein Entwurf wird auf so viele verschiedene Weisen genutzt, das können wir gar nicht vorhersehen. So geht uns zum Beispiel mit den Akustikelementen von BAUX. Als wir das Unternehmen gründeten, hatten wir natürlich eine Vorstellung davon, was man mit den Produkten machen könnte. Tatsächlich werden sie aber oft ganz anders eingesetzt.


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