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Falsche Signale: Die Lufthansa baut ihren Vorstand um – und spart dabei den Posten für Markenführung und Nachhaltigkeit in dem Gremium ein. Müsste ein global agierendes Unternehmen mit mehreren Airlines angesichts der sich beschleunigenden Klimakrise die Transformation zu mehr Umweltschonung nicht deutlich aktiver vorantreiben?

Ein Kommentar von Thomas Wagner

Foto: Lufthansa Media Lounge

„Gemäß unserem Leitbild, Menschen, Kulturen und Volkswirtschaften auf nachhaltige Weise zu verbinden, wollen wir die Umweltauswirkungen des Fliegens immer weiter begrenzen und dabei in unserer Industrie auch zukünftig eine führende Rolle einnehmen. Entsprechend ambitioniert sind unsere Klimaschutzziele: Wir streben eine neutrale CO2-Bilanz bis 2050 an und wollen unsere Netto-CO2-Emissionen bereits bis 2030 im Vergleich zu 2019 durch Reduktions- und Kompensationsmaßnahmen halbieren“, so der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr im Vorwort zur Nachhaltigkeitsbilanz der Lufthansa Group für 2022.

Vorstandsumbau mit Folgen

Unternehmen stehen im globalen Wettbewerb und sind einem beständigen Veränderungsdruck ausgesetzt. Das gilt in besonderer Weise für die Luftverkehrsbranche. Während es in der Corona-Pandemie ökonomische Bedrohungen zu bannen galt, steht eine weitreichende ökologische Transformation noch am Anfang. Vor wenigen Tagen nun machte die Meldung die Runde, die Lufthansa baue ihren Vorstand um. Fair enough. Dabei habe, so wird übereinstimmend berichtet, seit mehr als einem Jahr festgestanden, dass zwei der sechs Vorstände das Unternehmen 2024 verlassen würden. Auch wenn sich viele Berichte überrascht zeigen, dass nun gleich vier von sechs Mitglieder des Führungsgremiums ausgetauscht werden und der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley den Umbau als Befreiungsschlag und Start einer neuen Managementkultur preist – das tiefgreifende Revirement wirft weitere Fragen auf.

Foto: Lufthansa Media Lounge

Markenführung und Nachhaltigkeit treten in den Hintergrund

Beweglich zu bleiben, offen und bereit für Veränderungen zu sein, derartige Ambitionen sind per se weder gut noch schlecht. Die Transformation eines Großunternehmens ist immer eine Querschnittsaufgabe. Ebenso unerlässlich aber ist es, wo es um mehr Umweltbewusstsein, mehr Ressourcenschonung und gesteigerte Kreislauffähigkeit geht, sämtliche Prozesse daraufhin zu überprüfen, wie sie sich umweltverträglicher gestalten und in den einzelnen Abteilungen implementieren lassen. Das ist alles andere als einfach. Es setzt fundiertes Wissen, kontinuierliches Engagement und große Beharrlichkeit voraus. Wem es ernst damit ist, der sollte nicht mutlos darauf verzichten, dies auf Vorstandsebene zu verankern.

Nachhaltigkeit stärkt die Marke

Mit Blick auf eine erfolgreiche Markenführung ist derzeit viel von „Purpose“ die Rede. Was zeigt: die Zeiten haben sich geändert. Eine Marke zielgerichtet zu führen und ihr Profil ständig weiterzuentwickeln widerspricht keineswegs einem größeren Engagement in Sachen Nachhaltigkeit. Im Gegenteil. Nur wer plausibel machen kann, er beschreite aktiv den Weg zu umweltverträglicherem Fliegen und betreibe nicht nur „Greenwashing“, wird auch die Marke stärken. Deshalb sollte, wo eine Transformation angestrebt wird, Nachhaltigkeit vorrangig als deren Zweck begriffen werden. Wer es mit einem umweltschonenden und verantwortungsbewussten Wirtschaften nicht ernst meint, den Wandel nicht tatsächlich will, wird Kund*innen vielleicht kurzfristig gewinnen, auf Dauer aber kaum bestehen können. Wer dem zustimmt, muss daraus folgern: Was im Vorstand eines Unternehmens wie der Lufthansa Group (mit all ihren Airlines und Unternehmensteilen) verankert werden müsste, ist ein Posten für Transformationsprozesse. Zugespitzt könnte man auch sagen: Es bräuchte eine Transformationsdesignerin oder einen Transformationsdesigner, die oder der all die Prozesse und Prozessketten kennt, die es zu verändern gilt, einzuschätzen weiß, wo angesetzt werden muss und wie sich Veränderungen in den verschiedenen Bereichen implementieren lassen. Das reicht vom Einkauf über Materialeinsatz bis zur Reduzierung von Einweggeschirr und zum Abfallmanagement, vom Ersatz herkömmlicher Materialien durch biologisch abbaubare Stoffe über das Catering bis zu alternativen Flugzeugantrieben. Um all das zu schaffen, wäre es zudem von Vorteil, wenn es gelänge, im Unternehmen einem Gemeinschaftsgeist zu fördern, der das Ganze trägt und zum Interesse aller macht.

Die Marke konsequent auf Nachhaltigkeit verpflichten

Dass der Aufsichtsrat der Lufthansa Group solche Überlegungen offenbar weder angestellt, noch beim aktuellen Umbau des Vorstands berücksichtigt hat, wird im Unternehmen schwerlich, wie es der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley ausgedrückt hat, neue Impulse setzen. Im Gegenteil. Es sendet falsche Signale. Die Marke konsequenter noch als bislang auf Nachhaltigkeit zu verpflichten, würde nicht nur in die Zukunft weisen, es würde tatsächlich die nächste Phase der Unternehmensentwicklung einläuten. Wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen, erforderte ein solcher Schritt nicht einmal besonderen Mut. Dass sich der Aufsichtsrat wünscht, in den Vorstand solle „mehr Teamgeist“ einziehen, wird den herausgehobenen Einsatz für die Marke und viele nachhaltige Lösungen nicht kompensieren können. Wer Veränderungen wirklich will, der sollte das auch im Vorstand verankern – und danach handeln. Die Marke würde das ganz sicher mehr stärken als Absichtserklärungen und vom Marketing getriebene Angebote wie „Green Fares“.


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