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Immer mehr Vorgärten in Wohnsiedlungen ziert eine Wärmepumpen-Außeneinheit: Gut fürs Klima, hoffentlich, aber ästhetisch problematisch. Warum werden die Kisten überhaupt gebraucht, welche Designstrategien verfolgen die Hersteller? Und: Wäre das zu vermeiden gewesen?

Von Martin Krautter

„Ommmmmm“ brummt die Wärmepumpe leise, daher muss sie keuschen Abstand zu den Nachbarn halten. © Bosch Home Comfort

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, lautet ein Grundsatz der Pharmazeutik. Diese Aussage lässt sich auf den technischen Fortschritt verallgemeinern, da notwendige Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise auch Nebenwirkungen, nicht zuletzt ästhetischer Art, zeitigen. Jüngstes Beispiel einer Entwicklung, die erst am Beginn ihrer Breitenwirkung steht: Der Einsatz von Wärmepumpen anstatt fossiler Öl- und Gasheizungen. Die Regierung macht Dampf mit dem Gebäudeenergiegesetz und setzt Leitplanken zur Dekarbonisierung im Feld der Heizungen. Weiteres soll der Markt regeln, und der favorisiert aktuell ganz klar die elektrische Luft/Wasser-Wärmepumpe, die sich zum Massenprodukt und damit auch zum Gegenstand des Industrial Design mausert.

Angewandte Thermodynamik

Nichts gegen Wärmepumpen ganz allgemein. Ihr Prinzip: Anstatt Wärmeenergie durch irreversible stoffliche Umwandlung (sprich: Verbrennung unter Abgabe von Treibhausgasen) lokal zu erzeugen, wird diese mit einem Bruchteil des Energieeinsatzes aus der Umgebung, wo sie im Überfluss ungenutzt vorhanden ist, einfach dorthin befördert und konzentriert, wo sie gebraucht wird – nämlich in unseren Wohnräumen. Dieses Prinzip also ist genial, und es ist auch unverzichtbar, wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen. Neu ist es freilich nicht, wir nutzen es seit Lindes Kältemaschine von 1874, nicht zuletzt in jedem Kühlschrank und jeder Klimaanlage.

Backsteinidyll in deutschen Wohnsiedlungen – zunehmend prägen neben Carport und Jägerzaun die Außeneinheiten von Luft/Wasser-Wärmepumpen das Erscheinungsbild. © Bundesverband Wärmepumpe e.V.

Nur verstecken wir unsere Kühlschränke in der Regel hinter Einbauküchenfronten und stellen sie ohne Sperrmülltermin nicht vors Haus. Die Verdampfer-Einheiten der Luft/Wasser-Wärmepumpen jedoch machen sich zunehmend in den Vorgärten der Republik breit und drohen dort zum Designproblem zu werden. Die klobigen Kisten dienen dem Zweck, der Umgebungsluft Energie zu entziehen. Dafür enthalten sie typischerweise den Verdampfer, ein Wärmetauscher zwischen Kältemittel und Luft. Hinzu kommt ein Ventilator, der diese Luft auf den Verdampfer schaufelt, sowie der Verdichter, das mechanische Herzstück der Wärmepumpe. Als Designaufgabe sind diese sogenannten Außeneinheiten ausgesprochen undankbar, denn hier gibt es nichts zu bedienen, zu sehen oder zu begreifen. Jeglicher Bezug auf den Menschen als Nutzer, jenseits der einmaligen Installation und sporadischer Wartung, fehlt. Es sind Aggregate, die einfach nur ungestört vor sich hin brummen möchten. Haben Architekten, etwa im Gewerbebau, die Gelegenheit dazu, tun sie das einzig Richtige: Sie verstecken diese Maschinen, zum Beispiel außer Sichtweite auf dem Gebäudedach.

Das Problem der Platzierung

Eine Option, die Eigenheimbesitzer meist nicht ziehen können. Im Gegenteil: Abstandsregeln in einigen Landesbauordnungen erschweren die Platzierung. Denn sowohl Nachbarn als auch die Bewohner selbst müssen vor dem zwar geringen, aber doch wahrnehmbaren Betriebsgeräusch geschützt werden. Gleichzeitig erfordert die optimale Funktion einen ungehinderten Luftstrom. Zuviel Abstand zum Gebäude macht wiederum den Anschluss aufwendig. So landen die teuren Geräte schnell im Vorgarten zwischen Kies und Buchsbäumchen, wo sie nicht nur die Straßenansicht bereichern, sondern zu allem Überfluss auch immer öfter Kriminelle zum Diebstahl animieren.

Gut getarnt: WP-Außeneinheit, verkleidet mit architekturtypischen Materialien wie Holz. © Glen Dimplex

Strategien der Gestaltung

Welche Strategien verfolgen die verschiedenen Hersteller aktuell bei der Gestaltung dieser Geräte, die so unverhofft beginnen, das Weichbild unserer Wohnsiedlungen zu prägen? Auch in diesem Feld gibt es nach wie vor Firmen ohne jeden Designanspruch: Sie bauen generische, farbneutrale Kisten aus Blech und Plastik, über deren Flächen die Lüftergitter, Beschriftungen und Befestigungselemente willkürlich verteilt scheinen. Andere Marken setzen offenbar darauf, dass die „fancy“ Wärmepumpe vorm Haus als Statussymbol demnächst das SUV ersetzt. Sie gestalten expressiv und mit selbstbewusstem Branding, marketingseits gerne unterstützt durch popkulturelle Testimonials. Eine weitere Strategie setzt auf Tarnung, zum Beispiel durch Verkleidungen aus architekturtypischen Materialien wie Holz oder dezent getöntem Aluminium – oder eine an architektonische Formen angelehnte, kantig-schlichte Formgebung. Die Geräte eines Herstellers aus dem Raum Ulm beziehen sich sogar so offensichtlich auf Vorbilder aus der mit jener Region verknüpften Designhistorie, dass man meinen möchte, Hans Gugelot walte dort weiterhin als gestalterischer Berater.

Einfach Skala und Knöpfe vom Braun Radio „G11“ weglassen, fertig ist die Ulmer Wärmepumpe. © Weishaupt

Es ginge auch ohne

Aber keine dieser Strategien kann letztlich das schiere Volumen dieser Geräte kaschieren. Design hin oder her: Zu den Kisten auf vier Rädern, so scheint es, gesellt sich vor dem Eigenheim jetzt eine weitere Kiste – als Mahnmal der Wärmewende. Wäre das vermeidbar gewesen? Möglicherweise, wenn unsere Gesellschaft unter Handlungsdruck stärker nach gemeinschaftlichen anstatt nach individuellen Lösungen suchen würde. Es gibt durchaus Heiz-Lösungen, die ohne Kiste im Vorgarten auskommen: Fern- und Nahwärmenetze, Erdwärmepumpen oder smarte Kombinationen wie zum Beispiel lokale Niedrigtemperaturnetze – diese verteilen lauwarmes Wasser, sagen wir aus der Abwärme eines Rechenzentrums oder aus einer zentralen Geothermie-Bohrung im Quartier. Damit können wiederum kompakte Wärmepumpen in Häusern und Wohnungen sehr effizient betrieben werden. Voraussetzung für solche Lösungen ist allerdings, sich mit seinen Nachbarn zu verständigen – viel verlangt, ich weiß – sowie eine öffentliche Verwaltung, die entsprechende Vorhaben nicht bürokratisch ausbremst. Andere europäische Länder, insbesondere die Skandinavier, sind hier wieder einmal weiter, die Komponente der kommunalen Wärmepläne im neuen Gebäudeenergiegesetz weist immerhin in diese Richtung. „Design“, postulierte schon vor über 40 Jahren der Schweizer Soziologe und Designtheoretiker Lucius Burckhardt, „ist unsichtbar“. Hoffen wir, dass sich in Sachen Wärmepumpe diese These auf lange Sicht bestätigt.

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