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Die Klimakrise ist und bleibt eine der zentralen Aufgaben und Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Dabei sind die Ziele hochgesteckt. Die Europäische Union sieht bis zum Jahr 2030 eine Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40% gegenüber 1990 vor. In den Fokus rücken immer mehr die Gebäude, die laut Umwelt Bundesamt für etwa 35% des Energieverbrauchs und circa 30% der CO2 Emissionen in Deutschland verantwortlich sind.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Architektur, Bauwesen und Design tragen eine große Verantwortung, wenn es um die Errichtung der Gebäude von morgen geht. Wie sehen Projekte aus, die jene Ziele berücksichtigen? Und welche Rolle spielen dabei die Architekten und Planer? Bereits heute gibt es zahlreiche Projekte, die mit gutem Beispiel vorangehen. Sie präsentieren vorbildliche Lösungen im Sinne des Klimaschutzes.

Null-Energie-Haus, Felix Partner Architektur und Design interdisziplinär © Thomas aus der Au

Null-Energie-Haus mit Geschichte

Mit dem Vorhaben, ein historisches Gebäude in ein Null-Energie-Haus zu verwandeln, das also keine zusätzliche Energiezufuhr von außen benötigt, schufen die Architekten Felix Partner im Schweizerischen Latsch eine einzigartige Transformation. Das 350 Jahre alte baufällige und denkmalgeschützte Wohnhaus im Kanton Graubünden sollte den heutigen Bedürfnissen angepasst werden, ohne seinen ursprünglichen Charme zu verlieren. Die historisch wertvolle Bausubstanz des 50 Jahre leerstehenden Hauses wurde von Felix Partner sorgfältig restauriert. Das Wohnhaus tritt als massives Steinhaus in Erscheinung, im Innern handelt es sich jedoch um einen Holzbau. In traditioneller Strickbauweise sind die Räume gezimmert und übereinandergestapelt, so bleibt der historische Bestand des Hauses spürbar und die verschiedenen Bauetappen kommen zum Vorschein.

Für eine klimaneutrale Nutzung wurden die großen Dächer der beiden Anbauten mit Photovoltaik- und Solarthermie-Paneelen versehen. Die gewonnene, im Sommer überschüssige Sonnenenergie wird über eine Erdsonde im Felsen gespeichert und steht im Winter klimaneutral zur Verfügung. Als Null-Energie-Haus produziert es die benötigte Menge an Energie für Heizung und elektrischen Strom selbst. Den Architekten von Felix Partner gelang mit der Modernisierung des jahrhundertealten Wohnhauses ein durchdachtes Zusammenspiel: Traditionelles Kulturgut und historischer Charme verbinden sich mit moderner, eleganter Gestaltung. Aufgerüstet mit neuester Technik ist das restaurierte Gebäude zukunftsträchtig und an heutige Wohnbedürfnisse angepasst. Die Felix Partner Architektur AG ist Preisträger der ICONIC AWARDS 2020: Innovative Architecture und erhielt die Auszeichnung „Best of Best“.


Integrales Klimakonzept für ideale Lernbedingungen

Mit wenig Technik aber einem hohen visuellen und thermischen Komfort erreicht das Schubart Gymnasium in Aalen einen Null-Energie-Standard. Liebel/Architekten entwickelte den Fachklassentrakt gemeinsam mit Transsolar Energietechnik. Um den Null-Energie-Standard zu erreichen, waren verschiedene Maßnahmen notwendig: Der Energieverbrauch der Schule konnte durch eine ressourceneffiziente und kompakte Bauweise reduziert werden. Das Team aus Architekten und Klimaingenieuren nutzte die natürlichen Prinzipien wie Licht, Thermik und Erdwärme maximal aus und konnte so die Betriebskosten für Kunstlicht und Lüftung reduzieren. Zugleich wurden ideale Lernbedingungen geschaffen: Ein hybrides Lüftungssystem kombiniert Schub- und Fensterlüftung und gewährleistet eine gute Luftqualität. Die mechanische Zuluft gelangt durch einen Erdkanal ins Innere. Dieser wirkt passiv und kühlt die Luft im Sommer oder wärmt sie in der kalten Jahreszeit vor. Ausreichend Tageslicht gelangt durch die Oberlichter in die Lernräume, nachts dienen diese auch der Durchlüftung und Abkühlung. Die südorientierten Dachflächen des Schulgebäudes sind mit Photovoltaik ausgestattet. Da Energiegewinnung und Verbrauch im Schulhaus zu gleichen Zeiten stattfinden, ist die Nutzung der regenerativen Stromquelle sehr geeignet. Das Projekt von Liebel/Architekten BDA ist „Winner“ der ICONIC AWARDS 2020: Innovative Architecture.

Für eine zukunftsfähige gebaute Umwelt setzt sich die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ein, die Zertifikate für nachhaltige Immobilien vergibt. Laut DGNB-Sprecher Felix Jansen hat sich in der Bau- und Immobilienbranche bereits einiges getan: „Gerade im Bereich der Gewerbeimmobilien entstehen heute immer mehr nachhaltige Gebäude. Firmen errichten ihre Headquarters nach diesem Prinzip und auch im Einzelhandel wird nachhaltig gebaut.“ Dennoch sind entsprechende Baumaßnahmen heute noch nicht im Mainstream angekommen: „Gerade im Wohnbereich gibt es Nachholbedarf“, so Jansen weiter.  Die Non-Profit-Organisation fasst unter „Nachhaltigem Bauen“ neben der ressourcenschonenden Bauweise zwei weitere Dimensionen: Gebäude sollen wirtschaftlich sinnvoll und über deren Lebenszyklus betrachtet werden, zudem rückt der Nutzer eines Gebäudes in den Fokus. Der Mensch wird zum entscheidenden Faktor, denn ob es sich um ein Wohnhaus oder Büro handelt, er muss sich dort, wo er sich aufhält, wohlfühlen. Hierbei spielen Design, Raumtemperierung, Beleuchtung und Schalldämmung eine wesentliche Rolle.


Copenhill, BIG – Bjarke Ingels Group © Rasmus Hjortshøj

Kraftwerk mit Freizeitfaktor

Der soziale Mehrwert eines Bauprojekts spielt auch bei den dänischen Architekten von BIG eine entscheidende Rolle. Sie schufen im Herbst 2019 einen eher unkonventionellen Ort für Sport- und Freizeitaktivitäten in Kopenhagen: Das Dach der Müllverbrennungsanlage Amager Bakke beherbergt die erste Skipiste des Landes, die dank verlegter Kunststoffmatten ganzjährig und ohne Schnee befahrbar ist. An jenem Ort, an dem jährlich aus 400.000 Tonnen Müll Energie gewonnen wird, um rund 160.000 Haushalte mit Fernwärme sowie 62.500 Häuser mit elektrischer Energie zu versorgen, entstand ein ikonisches Bauwerk mit Freizeitfaktor. Wanderwege, Spielplätze, Fitnessgeräte und Kletterwand komplettieren das Angebot der Anlage Copenhill inmitten des lebendigen Stadtteils Christianshavn.

Während Verbrennungsanlagen im städtischen Kontext meist wenig Charme versprühen, verfolgte BIG von Beginn an die Idee, den Ort zum Anziehungspunkt für Anwohner und Touristen zu machen. Über die reine Funktion des Kraftwerks hinaus, dient das Copenhill der Allgemeinheit und vereint auf innovative Weise nachhaltige Energieerzeugung mit Freizeitspaß und Erholung. Mit dem Bau des neuen Kraftwerks kommt die Stadt Kopenhagen gleichzeitig ihrem Ziel näher, die erste klimaneutrale Hauptstadt zu werden. Die Anlage zählt dank neuester Filtertechnik zu den modernsten und saubersten der Welt. Die Architekten von BIG wurden für das Projekt mit den ICONIC AWARDS 2020: Innovative Architecture „Best of Best“ ausgezeichnet.  

Deutlich wird in all diesen Projekten, dass Architekten eine Schlüsselrolle im nachhaltigen Bauen einnehmen. Sie müssen im Rahmen ihrer Beauftragung mehr denn je Position für Maßnahmen beziehen, die im Sinne des Klimaschutzes stehen: Unter Einsatz von umweltfreundlichen und langlebigen Materialien und einer bewussten Nutzung der Ressourcen. Nicht zuletzt erhält die sozio-kulturelle Qualität der Gebäude eine wachsende Bedeutung, von der auch kommende Generationen profitieren.

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