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Janina Hünerberg studierte Industriedesign und Medicaldesign an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel. Für ihre Arbeiten, die sich durch eine hohe Nutzerorientierung und Klarheit in der Anwendung auszeichnen, wurde sie als eine von 5 Finalisten für die dotierte Auszeichnung „German Design Award Newcomer 2020“ ausgewählt.

Wir haben Janina Hünerberg 3 Fragen zu ihrem Projekt mamelle gestellt, das sich an der Schnittstelle von Design, Digitalisierung und Landwirtschaft, genauer gesagt Tierhaltung bewegt und u.a. optimierte Mess- und Behandlungsprozesse ermöglicht.


Frau Hünerberg, mit dem Projekt mamelle bewegen Sie sich an der Schnittstelle von Landwirtschaft und Digitalisierung. Stellen Sie Ihr Projekt bitte kurz vor.

mamelle ist der Entwurf für ein Messgerät zur sofortigen Vor-Ort-Diagnostik von Euterentzündungen bei Milchkühen. Diese Erkrankung tritt sehr häufig in der Milchviehhaltung auf und kann zu einer erhöhten Keimbelastung der Milch bis hin zum Tod des Tieres führen. Die Behandlung erfolgt durch Antibiotika. Um das richtige Antibiotikum verabreichen zu können, muss die Art der krankmachenden Keime identifiziert werden. Bislang wird dazu eine Milchprobe im Labor untersucht. Vom Zeitpunkt der Milchprobenentnahme bis zum Ergebnis vergehen mehrere Tage. Häufig wird bereits vor der Laboranalyse auf Verdacht behandelt, da dies die einzige Möglichkeit ist, sofort auf die Erkrankung zu reagieren. Nach Erhalt der Analyseergebnisse wird die Behandlung angepasst, also ggf. ein weiteres Antibiotikum verabreicht, welches genau auf den vorherrschenden Keim abgestimmt ist.

mamelle ermöglicht eine sofortige Untersuchung der Milch. Das Messgerät vereint die Probenentnahme, die Messung und die Anzeige der Ergebnisse in einem Produkt. Auch werden die Messergebnisse der jeweiligen Kuh und dem betroffenen Euterviertel zugeordnet, um den Krankheitsverlauf bestmöglich zu dokumentieren. Mithilfe eines optischen Messverfahrens werden Art und Anzahl der Krankheitserreger innerhalb weniger Sekunden ermittelt. So ist es möglich, sofort die richtige Behandlung einzuleiten. Die Kuh kann schnellstmöglich genesen und der Einsatz von Antibiotika wird auf das Nötigste reduziert.

Wieso befassen Sie sich mit diesem Thema? Welche aktuelle Relevanz hat es in Ihren Augen?

Falscher oder übermäßiger Einsatz von Antibiotika steht schon lange im Verdacht, die Entstehung resistenter Keime zu begünstigen. Nicht nur deshalb ist deren Einsatz in der Landwirtschaft umstritten. Der Verbraucher wünscht sich möglichst keine Rückstände der Medikamente in Fleisch, Milch und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Auch belastet eine Antibiose den gesamten Organismus des Patienten.

Es sollte also generell bei der Anwendung von Antibiotika der zielgerichtete Einsatz im Fokus stehen. Durch die Beschleunigung der Diagnostik von Euterentzündungen bei Milchkühen kann die Antibiotikagabe in diesem konkreten Fall präzisiert werden. Dies führt neben einem schnelleren Behandlungserfolg auch zu einem bewussteren Umgang mit der Thematik.

mamelle – Messgerät zur Vor-Ort-Diagnostik © Janina Hünerberg

Bei der Anwendung von Antibiotika sollte generell der zielgerichtete Einsatz im Fokus stehen.

Was ist das Besondere an Ihrer Lösung? Wie hoch schätzen Sie Innovationsgrad und Nutzwert ein?

Mithilfe von mamelle kann der krankmachende Keim sofort identifiziert werden. Somit wird eine perfekt auf die Ursache abgestimmte Therapie möglich. Überflüssiger Medikamenteneinsatz wird verhindert und für die Kuh werden die besten Genesungsbedingungen geschaffen.

Dieses Designkonzept zeigt, dass es mithilfe moderner Technologien und neuer Denkweisen möglich ist, alte Strukturen aufzubrechen und Abläufe zu optimieren. Der Nutzwert ist sowohl für die Kuh als auch den Landwirt sehr hoch, denn je schneller das Tier wieder gesund ist, desto mehr Ertrag erwirtschaftet es für seinen Besitzer. Zudem wird die Gefahr, dass durch übermäßigen Antibiotikaeinsatz resistente Keime gebildet werden, reduziert.


Janina Hünerberg wurde am 3. Januar 1992 in Hamburg geboren. Von 2012 bis 2016 studierte sie an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel, Industriedesign und schloss mit dem Bachelor of Arts ab. Zwei Jahre später folgte der Master of Arts im Bereich Medicaldesign. Bereits während des Studiums erhielt Janina Hünerberg mehrere renommierte Auszeichnungen, darunter auch die eine Anerkennung beim Bayrischen Staatspreis für Nachwuchsdesigner sowie beim Mia Seeger Preis für das Messgerät mamelle zur Vor-Ort-Diagnostik von Mastitis bei Milchkühen. Zudem belegte sie beim Muthesiuspreis und bei der nationalen Runde des James Dyson Award den ersten Platz.

Ihre bisher wichtigsten Arbeiten entstanden ebenfalls im Bereich Medical Design, darunter LYBOprotect, ein antibiotisches Pflaster zur prophylaktischen Behandlung von Borreliose bei Zeckenstichen, das non-invasive Blutzuckermessgerät BIDOO für Hunde und Katzen und CONTIGO, ein Orientierungshelfer, der an Demenz erkrankten Menschen im Frühstadium hilft, selbstständig wieder den Weg nach Hause zu finden. Janina Hünerberg arbeitet seit 2018 als Industriedesignerin/Medicaldesignerin bei Holm & Laue GmbH & Co. KG.

www.janinahuenerberg.de


Beitragsbild: © Martin Diepold/Grand Visions

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