Von Thomas Wagner.
Florian Hufnagl war mehr als irgendein Museumsmann, er war selbst eine Institution. Er hat Die Neue Sammlung in München entscheidend geprägt und zu einer der weltweit ersten Adressen für Design gemacht – von 1980 bis 1990 zunächst als Kurator, bis zu seiner Pensionierung 2014 als deren leitender Sammlungsdirektor.
Design als geistige Disziplin
Das Studium der Kunstwissenschaft, Klassischen Archäologie und Neueren Geschichte in München hatte Hufnagl 1976 mit einer Promotion über den Architekten Gottfried von Neureuther abgeschlossen und zuerst am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gearbeitet. Mit genauem Blick und kritischem Geist gelang es ihm in seiner Zeit an der Neuen Sammlung, die Bestände ebenso beharrlich wie geschickt zu erweitern, ohne sich dabei den oft genug von den Interessen des Marketings geprägten Wünschen der Hersteller nach musealen Weihen zu unterwerfen. In vielen der rund hundert Ausstellungen, die er organisierte – zur Demokratisierung des Designs bei Ikea, zum DDR-Design, zu marokkanischen Teppichen im Kontext moderner Kunst, zu den Möbeln von Donald Judd, aber auch zu japanischen Plakaten und aktuellem Schmuckdesign – hat er übliche Einordnungen vermieden und den Blick auf Design erweitert.
Hufnagl, der sich selbst gern als einen „Gestaltungsfreak“ bezeichnete, wollte mehr, als Objekte sammeln, erforschen und ansprechend präsentieren. Für ihn war klar: Design ist eine geistige Disziplin. Es agiert mitten in der Gesellschaft, ist Ausdruck von deren Selbstdarstellung, oft auch Symptom für massenhaft produzierte Irrtümer. Hufnagls Perspektive war barock, nie puritanisch. Seine Sachkenntnis und die zugewandte, humorvolle Art, mit der er jede noch so heikle Frage nach einem Objekt oder einem Designer beantwortete, machten ihn unverwechselbar. Bloßes Styling und reine Fetischobjekte waren ihm ein Graus – entsprechend genüsslich wusste er sie zu sezieren. Die eingeübte Hierarchie zwischen Kunst und Design hielt er für nicht mehr zeitgemäß. Ihm ist es denn auch zu verdanken, dass Design in der 2000 eingerichteten fränkischen Dependance der Neuen Sammlung in Nürnberg und in der 2002 eröffneten Pinakothek der Moderne in München gleichberechtigt mit Kunst gezeigt wird.
Sowenig Hufnagl im Museum ein Exil für Dinge sah, die ihrem Gebrauch entzogen sind, sowenig beschränkten sich seine Aktivitäten darauf, Erreichtes zu verwalten. Munter bewegte er sich im aktuellen Designgeschehen, besuchte nahezu jede Messe, nahm an zahllosen internationalen Jurys teil, pflegte den Dialog mit Designern und Herstellern. Auch den Nachwuchs beobachtete er voller Neugier, unterrichtete am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität und als Honorarprofessor an der Münchener Akademie der Bildenden Künste. Wer bei Ausstellungen mit ihm gesprochen oder sich bei ihm Rat geholt hat, dem wurde schnell klar: Der Mann, der seine Fliege stets ungebunden am Kragen trug, kannte im Design einfach alles und jeden.
Designgeschichte kein Selbstzweck
Auch was die Präsentation angeht, verstand Hufnagl Design aus dem Prozess heraus. Wer ihn Ende der 1990er-Jahre bei der Einrichtung der Sammlungsräume im gerade fertiggestellten Neuen Museum Nürnberg erlebt hat, konnte erfahren, wie wichtig es ihm war, dem Besucher die geistige Idee und die kulturellen Wurzeln eines Objekts zu vermitteln. Konstruktion und Form, Technik und Ästhetik ließen sich für ihn nicht trennen. Also führte er das Besondere eines Stuhls oder einer Reiseschreibmaschine anhand mehrerer Exemplare oder in einer Serie vor Augen, die verschiedene Aspekte der Gestaltung hervorhob. Designgeschichte war für ihn kein Selbstzweck. Selbst an den Klassikern hat ihn vor allem interessiert, ob sie noch aktuelle Probleme ansprechen. Wie lassen sich Schnittstellen schaffen zwischen dem, was ein Gegenstand technisch kann, und wie er sich nutzen lässt? Erklärt sich ein Ding für den, der es benutzt, von selbst? In der Silvesternacht ist Florian Hufnagl nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren in München gestorben.
Beitragsbild: Florian Hufnagl als Laudator für Nils Holger Moormann (German Design Award Personality 2015). Foto: Lutz Sternstein – phocst.com
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