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Der „Dritten Deutschen Designdebatte“ ist es in einem hoch konzentrierten Programm gelungen, unterschiedliche Perspektiven, Ansätze und Generationen miteinander in Verbindung zu bringen: Alle Vortragenden warfen Fragen auf, formulierten Thesen, erzeugten Widersprüche und eröffneten neue Perspektiven, die Impulse für alle Akteurinnen und Akteure der Design- und Kulturszene lieferten. Unter dem Motto „Creating Community“ nahm die Debatte in Frankfurts Paulskirche nicht weniger als die Zukunft der Gestaltung in den Blick. An dem Ort, an dem einst die Wiege der deutschen Demokratie stand, ging es ums Ganze: um De-Kolonialisierung, um Partizipation, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Natürlich stand die große Frage im Hintergrund: Welchen Beitrag kann Design zu einer besseren Welt leisten?

Von Oliver Herwig

3. Deutsche Designdebatte in der Frankfurter Paulskirche, 2023. Die Sprecher der Debatte von links nach rechts: Lutz Dietzold, David Kusuma, Francesca Bria, John Maeda, Hartmut Esslinger, Kate Crawford, Sunny Dolat, Kimia Amir-Moazami, Prof. Mike Richter, Foto: Renato Ribeiro Alves

David Kusuma, Präsident der World Design Organization (WDO), war sichtlich überrascht, in einer Kirche über Design zu sprechen – so habe er noch nie an einem solchen Ort eine Rede gehalten. Er ging weit über Verallgemeinerungen hinaus und benannte ein Dilemma: Design habe zwar die Macht, die Lebensqualität weltweit zu verbessern, werde aber von politischen Entscheidenden zu wenig wahrgenommen, geschweige denn verstanden. Daher werde Designpolitik in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.

Eingereicht für den Bundespreis Gute Form 1983: Programm 180 O-Linie von Wilkhahn, Design: Herbert Ohl, © Wilkhahn
Bundespräsident Walter Scheel und Bundeswirtschaftsminister Dr. Hans Friedrichs bei der Eröffnung des Retrospektive „Bundespreis Gute Form“, 1975. © Archiv des Rat für Formgebung
Genehmigungsurkunde zur Errichtung der „Stiftung zur Förderung der Formgestaltung“, 1953, © Archiv des Rat für Formgebung
Bundespräsident Dr. Karl Carstens im Gespräch mit dem Präsidenten des Rat für Formgebung Philip Rosenthal während der Präsentation der ausgezeichneten Produkte des Bundespreis „Gute Form“ 1982 im Internationalen Design Zentrum (IDZ) Berlin. Im Hintergrund ist Herbert Ohl, der Fachliche Leiter des Rat für Formgebung, zu sehen. Foto: Foto Kessler, Berlin, © Archiv des Rat für Formgebung

Der Young Designers Circle – ein internationales Nachwuchs-Netzwerk der WDO, das die Kreativität und die Ambitionen der nächsten Generation von Designerinnen und Designern bündelt – vertreten durch Kimia Amir-Moazami, Muhammed Khan und Pedro Sáez Martínez, konzentrierte sich auf die Kraft der Partizipation anhand konkreter Beispielprojekte wie „Not There Yet“. Die streitbare Italienerin Francesca Bria, Beraterin der EU, mahnte mehr Tempo an bei der digitalen Transformation in Deutschland. In ihrem Graswurzel-Ansatz gehen Kunst, Ökologie und Demokratie Hand in Hand, angetrieben vom Rohstoff des 21. Jahrhunderts: Daten als Allmende.

Sunny Dolat, Modekurator und Kulturproduzent, der 2012 die multidisziplinäre kenianische Gruppe ‚Nest Collective‘ mitgründete, brachte eine neue Perspektive ein: Design als Mittel, gestohlene und unterdrückte (afrikanische) Identitäten zurückzugewinnen. Hartmut Esslinger nutzte seinen Beitrag zu einer Generalabrechnung mit der Designausbildung in Deutschland, und Stardesigner John Maeda stellte sich der wohl größten Herausforderung im Design der Gegenwart: KI. Ist sie Bedrohung menschlicher Kreativität oder nützliches Werkzeug? Dem schloss sich Kate Crawford, leitende Wissenschaftlerin bei Microsoft Research, an – mit einem kleinen Twist: Künstliche Intelligenz sei ein fundamentaler Umbruch unserer Kultur, vergleichbar nur mit der Erfindung der Fotografie oder der Entdeckung der Zentralperspektive in der Malerei der Renaissance.

1. Deutsche Designdebatte in der Frankfurter Paulskirche, 2003. Die Sprecher der Debatte von links nach rechts: Peter Schreyer, Erik Spiekermann, Helmut Lübke, Bazon Brock, Andrej Kupetz, Herbert H. Schultes., Dieter Rams, Rolf Fehlbaum, Konstantin Grcic © Archiv des Rat für Formgebung

Mike Richter, Präsident des Rat für Formgebung, hatte in seiner Einführung bereits mit Donald Norman auf die Rolle von Designerinnen und Designern als Teil des Problems und Teil der Lösung hingewiesen. Diese Ambivalenz vollends in kreative Energie und echten Wandel zu verwandeln, wird Aufgabe der Zukunft sein. Das wiederum war ganz im Sinne von Lutz Dietzold, Geschäftsführer des Rat für Formgebung, der in seinem Eingangsstatement die gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Designs im Allgemeinen und dieser Institution im Besonderen herausstellte. Seine Forderung an die Adresse der Politik: Rahmenbedingungen schaffen und gestalten.

Den gesamten Text von Oliver Herwig zur „Dritten Deutschen Designdebatte“ finden Sie hier.

Erste Preisverleihung der German Design Award 2012 zur Eröffnung der Messe ambiente in Frankfurt am Main, © Foto: Lutz Sternstein, Quelle: Rat für Formgebung

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