Der „Dritten Deutschen Designdebatte“ ist es in einem hoch konzentrierten Programm gelungen, unterschiedliche Perspektiven, Ansätze und Generationen miteinander in Verbindung zu bringen: Alle Vortragenden warfen Fragen auf, formulierten Thesen, erzeugten Widersprüche und eröffneten neue Perspektiven, die Impulse für alle Akteurinnen und Akteure der Design- und Kulturszene lieferten. Unter dem Motto „Creating Community“ nahm die Debatte in Frankfurts Paulskirche nicht weniger als die Zukunft der Gestaltung in den Blick. An dem Ort, an dem einst die Wiege der deutschen Demokratie stand, ging es ums Ganze: um De-Kolonialisierung, um Partizipation, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Natürlich stand die große Frage im Hintergrund: Welchen Beitrag kann Design zu einer besseren Welt leisten?
Von Oliver Herwig
David Kusuma, Präsident der World Design Organization (WDO), war sichtlich überrascht, in einer Kirche über Design zu sprechen – so habe er noch nie an einem solchen Ort eine Rede gehalten. Er ging weit über Verallgemeinerungen hinaus und benannte ein Dilemma: Design habe zwar die Macht, die Lebensqualität weltweit zu verbessern, werde aber von politischen Entscheidenden zu wenig wahrgenommen, geschweige denn verstanden. Daher werde Designpolitik in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.
Der Young Designers Circle – ein internationales Nachwuchs-Netzwerk der WDO, das die Kreativität und die Ambitionen der nächsten Generation von Designerinnen und Designern bündelt – vertreten durch Kimia Amir-Moazami, Muhammed Khan und Pedro Sáez Martínez, konzentrierte sich auf die Kraft der Partizipation anhand konkreter Beispielprojekte wie „Not There Yet“. Die streitbare Italienerin Francesca Bria, Beraterin der EU, mahnte mehr Tempo an bei der digitalen Transformation in Deutschland. In ihrem Graswurzel-Ansatz gehen Kunst, Ökologie und Demokratie Hand in Hand, angetrieben vom Rohstoff des 21. Jahrhunderts: Daten als Allmende.
Sunny Dolat, Modekurator und Kulturproduzent, der 2012 die multidisziplinäre kenianische Gruppe ‚Nest Collective‘ mitgründete, brachte eine neue Perspektive ein: Design als Mittel, gestohlene und unterdrückte (afrikanische) Identitäten zurückzugewinnen. Hartmut Esslinger nutzte seinen Beitrag zu einer Generalabrechnung mit der Designausbildung in Deutschland, und Stardesigner John Maeda stellte sich der wohl größten Herausforderung im Design der Gegenwart: KI. Ist sie Bedrohung menschlicher Kreativität oder nützliches Werkzeug? Dem schloss sich Kate Crawford, leitende Wissenschaftlerin bei Microsoft Research, an – mit einem kleinen Twist: Künstliche Intelligenz sei ein fundamentaler Umbruch unserer Kultur, vergleichbar nur mit der Erfindung der Fotografie oder der Entdeckung der Zentralperspektive in der Malerei der Renaissance.
Mike Richter, Präsident des Rat für Formgebung, hatte in seiner Einführung bereits mit Donald Norman auf die Rolle von Designerinnen und Designern als Teil des Problems und Teil der Lösung hingewiesen. Diese Ambivalenz vollends in kreative Energie und echten Wandel zu verwandeln, wird Aufgabe der Zukunft sein. Das wiederum war ganz im Sinne von Lutz Dietzold, Geschäftsführer des Rat für Formgebung, der in seinem Eingangsstatement die gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Designs im Allgemeinen und dieser Institution im Besonderen herausstellte. Seine Forderung an die Adresse der Politik: Rahmenbedingungen schaffen und gestalten.
Den gesamten Text von Oliver Herwig zur „Dritten Deutschen Designdebatte“ finden Sie hier.
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