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Am ehemaligen Berliner Flughafen Tegel forschen und experimentieren Robin Hoske und Felix Rasehorn an den Grenzen des Designs. Ein Besuch bei den beiden Gründern von Wint Design Lab, die schon im Studium zusammengearbeitet haben und sich in komplexen Projekten mit Industrie und Wissenschaft am wohlsten fühlen.

Von Jasmin Jouhar

Gründer, Designer und Forscher: Felix Rasehorn (links) und Robin Hoske © WINT Design Lab

Es gehört zu den schwierigsten und zugleich wegweisenden Entscheidungen einer Gründung: Wie soll das neue Unternehmen eigentlich heißen? Für die Designer Robin Hoske und Felix Rasehorn jedenfalls war klar: Sie wollten ihr Studio nicht nach sich selbst benennen. Mit dieser Konvention verbinden sie vor allem klassisches Autorendesign, und damit konnten sich beide nicht identifizieren. „Wir wollten einen Namen, unter dem sich auch andere Leute zuhause fühlen können, auch andere Disziplinen“, sagt Robin Hoske. Die Wahl fiel schließlich auf Wint, ergänzt um den Zusatz Design Lab. Wint gefiel ihnen wegen seines Klangs: „Es hat so eine Energie“, sagt Felix Rasehorn. Und der Zusatz soll die angestrebte Offenheit signalisieren: „Die Idee eines Designlabs, das ein bisschen größer ist als wir selbst. Das nicht beschränkt ist auf unsere Persönlichkeiten und Interessen“, so Rasehorn weiter.

Außerdem arbeiten die beiden 30-jährigen Berliner gerne experimentell und forschen viel – auch dieser Aspekt findet sich im Begriff „Lab“ wieder. Gegründet haben sie Wint Design Lab im Jahr 2019. Rasehorn hatte da gerade seinen Master in Produktdesign an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin absolviert, Hoske schloss ein Jahr später ab. Kennengelernt hatten sie sich schon im Bachelor-Studium, bei gemeinsamen Projekten die Zusammenarbeit erprobt. Ein Stipendium der Designfarm Berlin half bei der Gründung. Anfangs war auch noch Leon Laskowski dabei, der mittlerweile sein eigenes Studio führt, aber projektweise mit den ehemaligen Partnern kooperiert.

Am ehemaligen Flughafen gelandet

Zirkuläres Konzept: GOLD, ein Biotextil auf Kollagenbasis
© WINT Design Lab

Ebenso wichtig für ein junges Unternehmen in der Kreativwelt: der Arbeitsort. Felix Rasehorn und Robin Hoske haben mit dem Gut-Areal am ehemaligen Flughafen Tegel einen ziemlich passenden Ort gefunden. Im Gebäude der Luftfrachtlogistik haben sich eine ganze Reihe Unternehmen aus verschiedenen Branchen angesiedelt, die eines verbindet: der Fokus auf Nachhaltigkeit. Auch Rasehorn und Hoske haben es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte für eine regenerative Zukunft zu entwickeln, wie sie es nennen. Etwa Outdoorkleidung auf Basis von künstlich hergestelltem Kollagen, die zirkulär konzipiert ist.

Seit vergangenem Herbst nun ist Wint Design Lab Teil der Gut-Gemeinschaft, mit einer Fläche im Obergeschoss des Tegel-typischen Siebziger-Jahre-Baus. Die Fenster mit den abgerundeten Ecken dürften vielen Berliner*innen vom Terminal A vertraut sein, aber an der etwas abgelegenen Südseite des alten Flughafengeländes waren die meisten wahrscheinlich noch nie. Die Büros sind ein Provisorium, auf fünf Jahre ist die Zwischennutzung angelegt. Entsprechend zweckmäßig ist auch die Einrichtung, Arbeitstische, Lagerregale, Bürostühle, von der Decke abgehängte Röhrenleuchten. Hinter einem Vorhang surrt der 3D-Drucker vor sich hin, auf einem der Tische ist ein Roboterarm mit hellblauen Gelenken montiert. Den haben sich die Designer gebraucht gekauft, zum Experimentieren und Prototypen produzieren. Gerade testen sie, wie sich damit Papier zu parametrisch definierten Objekten falzen lässt. Was daraus werden könnte? Wandpaneele beispielsweise, oder Bauten für temporäre Szenografien. Erst einmal ausprobieren, was es für Möglichkeiten gibt und dann Kooperationspartner*innen, etwa aus der Papierindustrie, finden.

Forschen an den Grundlagen

Es ist dieser kollaborative Ansatz, der die Haltung von Wint Design Lab auszeichnet. Die beiden sehen sich nicht nur als Dienstleister für Auftraggeber, sondern wollen Projekte gemeinsam mit Expert*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln, bis hin zur Grundlagenforschung. Oder, wie Robin Hoske erklärt: „Wir erkämpfen uns Designpakete in Forschungsprojekten. Das ist ein Feld, das wir für uns entdeckt haben.“ Das Ziel ist, so ergänzt Partner Felix Rasehorn, im Budget das Design von vorn herein als festen Bestandteil einzukalkulieren. Wie bei dem Medizingerät „Ava“, einem Wearable, das Physiotherapie-Patient*innen zuhause bei ihren Übungen unterstützt und nach dem Prinzip des maschinellen Lernens funktioniert. Das Gerät entstand in Kooperation mit einem Experten für maschinelles Lernen und einem britischen Unternehmen, gefördert unter anderem mit EU-Geldern. Oder, ganz aktuell, das erwähnte Outdoor-Textil aus Kollagen: Die Designer haben soeben die Zusage bekommen, dass sie zwei weitere Jahre an dem Material arbeiten können – zusammen mit dem Unternehmen Mimotype Technologies, der RWTH Aachen, dem Forschungsinstitut FILK Freiberg und dem Sportartikelhersteller Adidas.

Wie zentral das Forschen für Wint Design Lab ist, spiegelt sich auch im Werdegang der beiden Gründer wieder: Robin Hoske ist parallel zum eigenen Unternehmen seit fast vier Jahren beim dem auf Mikroelektronik spezialisierten Fraunhofer-Institut IZM in Berlin beschäftigt. Er arbeitet als „Design Researcher“ im Bereich Eco-Design und beschäftigt sich mit nachhaltiger Produktgestaltung. Felix Rasehorn wiederum hatte bis vor kurzem eine Stelle im interdisziplinären Berliner Forschungscluster „Matters of Activity“ zu einer neuen Materialkultur und arbeitet an einer Promotion. Auch erste Erfahrungen in der Lehre haben beide gesammelt, im kommenden Wintersemester übernehmen sie eine Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste Saar unter dem Thema „Regenerative Leisure“.

Das Medizingerät AVA ist ein „Wearable“, das Physiotherapie-Patient*innen zuhause bei ihren Übungen unterstützt und dafür maschinelles Lernen verwendet
© WINT Design Lab

In Anwendungen übersetzen

Ausflüge ins klassische Autorendesign haben sich Rasehorn und Hoske übrigens ebenfalls erlaubt, etwa mit Praktika bei namhaften skandinavischen Designern. „Das hat uns gezeigt, was das für eine Branche ist, die Möbelbranche“, sagt Felix Rasehorn. „Man ist mal in Mailand dabei oder bei den 3Days of Design in Kopenhagen. Man sieht, wer die Player sind.“ Aber sie hätten beide schnell gemerkt, dass sie die Vielfalt schätzen und sich nicht auf eine Formensprache oder ein Material festlegen wollen, wie Robin Hoske ergänzt. Aber bei aller Forschung und bei allen Experimenten mit Laborcharakter: „Wir wollen schon ein Produkt machen“, so Hoske weiter. Das Wissen solle in etwas Greifbares, in eine Anwendung übersetzt werden. „Wir wollen immer beweisen, dass es geht!“


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