Welche aktuellen Entwicklungen gibt es im Kommunikationsdesign? Die Preisträger*innen des German Design Award 2023 geben einen Rundumschlag über derzeitige Trends und Themen, die uns auch in den kommenden Jahren begleiten werden. Die ndion-Redaktion stellt prägnante Beispiele vor.
Von Rebecca Espenschied.
Digital oder real? – Innovative Ansätze für schwindende Grenzen
Designer*innen zeigen Begeisterung und Neugier für Innovatives durch kreative Experimente, die die Grenzen zwischen analog und digital miteinander verweben. Das geschieht in den unterschiedlichsten Dimensionen und ist mediumunabhängig. Ob im Bereich Website, Metaverse oder sogar im Print – es entstehen derzeit viele Projekte im Bereich Kommunikationsdesign, die beide Welten miteinander in Einklang bringen.
Mit Hypewear hat About You den ersten Online-Shop für virtuelle Mode entwickelt und verbindet damit das ursprünglich haptische Produkt Mode mit Virtual Reality. Ein großer Teil unserer Kommunikation und unserer Lebenswirklichkeit spielt sich mittlerweile auf Social Networks ab, und so zielt virtuelle Mode perfekt auf die Bedürfnisse der digitalen Selbstinszenierung. Der von DEPT® entwickelte „HYPEWEAR Digital Fashion“ Onlineshop auf Basis der agentureigenen Algomart-Lösung zeigt die derzeitigen Möglichkeiten für Fashion im Metaverse auf.
Doch es geht auch umgekehrt – warum nicht die digitale Ästhetik ins Analoge übertragen?
Die Antwort darauf bietet der Schulführer für die Kuwasawa Design School, Japans erster Hochschule für Gestaltung. Das Cover, das in Kombination mit dem Schuber einen typografischen Effekt generiert, ahmt verblüffend echt die Animation auf einem Computerscreen nach. Handwerklich gut gemacht, inspiriert und fasziniert dieses Guidebook, das für zukünftige Studierenden das Interesse an Design wecken soll.
Typografie – kultureller und gesellschaftlicher Spiegel
Welche Rolle spielt Schrift im gesellschaftlichen Kontext? Kulturelle und soziale Trends spiegeln sich häufig in der Beschäftigung mit Typografie wider. Neben klassischem Plakatdesign rückt der Einsatz von Schrift im Digitalen immer mehr in den Fokus. So entsteht auf vielen unterschiedlichen Ebenen eine neue, spannende Art von Auseinandersetzung vor ganz unterschiedlichen Anwendungshintergründen.
In der App Bionic Reading spielt Typografie die zentrale Rolle: Denn durch hervorgehobene Anfangsbuchstaben entsteht eine neuartige Lesemethode für digitale Anwendungen. Die App hilft dabei, Texte digital einfacher zu lesen und auf einen Blick die wichtigsten Informationen zu erfassen. Hierfür werden im Text die Anfangsbuchstaben visuell betont, die das Auge schneller erfasst als das ganze Wort – das Gehirn vervollständigt automatisch den fehlenden Wortteil. Mit individuellen Einstellungen für unterschiedliche Bedürfnisse soll diese Technik beispielsweise auch Menschen mit Seh- oder Leseschwäche sowie Konzentrationsstörungen helfen, Texte besser aufzunehmen.
Dass Typografie auch gleich eine experimentelle Forschungsaufgabe innehaben kann, zeigt sich im Projekt des israelischen Designers Kobi Franco „Molecular Typography Laboratory“. Unter der spekulativen Prämisse, dass die Zeichen des hebräischen Alphabets eine molekulare Struktur haben, untersucht die Arbeit die Parameter „Funktion versus Ästhetik“ und „Inhalt versus Form“. Daraus entstanden ist eine außergewöhnliche Posterserie mit unterschiedlichen Illustrationen.
Markenauftritt – Branding mit Fotografien & Illustrationen
Der Einsatz von Illustrationen sowie fotografischem Branding kann eine effektive Möglichkeit sein, die visuelle Identität einer Marke zu stärken. Insbesondere Illustrationen haben in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Sie stehen dabei immer mehr in Konkurrenz zur Fotografie – wenn sie nicht sogar ergänzend zueinander eingesetzt werden. Beide Gestaltungsmittel lassen sich ebenso in klassische Werbekampagnen wie auch auf soziale Medien übertragen. Die gezielte wie sorgfältige Verwendung kann das Markenerlebnis der Kund*innen verbessern und damit der Marke mehr Menschlichkeit verleihen. Die kann gleichzeitig das Engagement der Zielgruppe erhöhen.
Um das zu erreichen, revitalisierte die AOK ihr Design grundlegend: Das Logo wurde überarbeitet und daraus eine neue ikonische Bildmarke gestaltet, eine neue, gut lesbare Hausschrift (AOK Buenos Aires) entwickelt und ein barrierefreier Farbcode eingeführt. Das Design schafft es damit, alle Generationen gleichermaßen anzusprechen. Zeitgemäße Illustrationen und Fotografien, die den Mensch in den Mittelpunkt rücken, lassen den neuen Auftritt sympathisch und lebensnah wirken.
In unruhigen Zeiten helfen Sehnsuchtsszenarien, um dem Alltag zu entfliehen. Dieser Taktik des Eskapismus‘ hat sich Vista Alegre untergeben und so schickt der Porzellanhersteller Kund*innen mit seinem Katalog auf eine Reise durch seine farbenfrohe Welt. Die bunten Illustrationen wurden vom dem jungen, portugiesischen Künstler João Fazenda gestaltetet und schaffen einen inspirierenden Rahmen für die Inszenierung der Produkte.
Nachhaltigkeit im Fokus
Wie schafft man es, die Gesellschaft für nachhaltige – soziale wie ökologische – Themen zu sensibilisieren? Durch Kommunikationsdesign können komplexe Inhalte visuell und verständlich dargestellt werden. So können damit Nachhaltigkeitsbemühungen gefördert und auf deren Bedeutung aufmerksam gemacht werden. Infografiken und Illustrationen sind hierfür zunehmend beliebte Mittel, das Bewusstsein für gesellschaftlich relevante Themen zu stärken.
The Financial Times haben gemeinsam mit Infosys und Wongdoody ein Online-Spiel entwickelt, bei welchem man als „Minister*in für die zukünftigen Generationen der Welt“ alle klimarelevanten politischen Entscheidungen treffen darf. Das „Climate Game“ zeigt so spielerisch durch Vorhersagemodelle die Konsequenzen aller Entscheidungen an, die das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 beeinflussen. Einfach aufgebaut und intuitiv spielbar. Durch die jeweiligen Szenarien führen thematisch passende Illustrationen.
Lopez Design hat ein Icon zur Kennzeichnung geschlechtsneutraler Toilettenräume entwickelt. Das neue Zeichen verzichtet auf binäre Elemente, ist damit nonkonformistisch und universell, gleichzeitig aber auch differenzierend. Mit seiner Einfachheit sorgt es für einen hohen Wiedererkennungswert. Aktuell wird das Zeichen bereits in Indien eingesetzt. Dort wird es noch mit dem Zusatz „Gender neutral“ versehen, um den öffentlichen Lernprozess anzustoßen, bis es in Zukunft auch alleinstehend funktionieren kann.
Klimawandel und Nachhaltigkeit, Gesundheitstechnologien, soziale Gerechtigkeit, digitale Transformation, Bildung und Kultur – das Themenspektrum im Kommunikationsdesign ist groß. Mit Storytelling, kreativen und innovativen Ideen tragen Kommunikationsdesigner*innen aktuell relevante Themen und gesellschaftliche Herausforderungen ins öffentliche Bewusstsein. Sie machen sie zugänglich oder lassen in Zeiten von Krisen durch viel Experimentierfreude in heitere Welten entfliehen. So entsteht derzeit eine neue visuelle Kultur, die Emotionen weckt, Erfahrungen schafft und Haltung zeigt – und damit gleichzeitig nachhaltigen Mehrwert bietet.
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