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Meyers Fügmann bleiben dran: Das Berliner Designerinnen-Duo entwickelt seine Projekte teilweise über Jahre hinweg weiter, gegen so manche Widerstände. Was ihnen dabei hilft? Förderungen, ein guter Nebenjob und Hartnäckigkeit. 

Von Jasmin Jouhar

Jede ein Unikat: Die bunten „Liquid“ Vasen tragen die Spuren des Porzellanguss-Prozesses 
© Meyers Fügmann

„Es gibt ja auch einen Grund, warum es uns noch gibt“, sagt Sarah Meyers und lacht. Doch auf die Frage, welcher Grund das wohl sei, muss die Designerin erst einmal überlegen. Sie führt zusammen mit Laura Fügmann das Studio Meyers Fügmann, die beiden Berlinerinnen haben sich einen Namen gemacht mit Textilien, keramischen Objekten und einem besonderen Gespür für Farbe und Materialien. Laura Fügmann hat ebenfalls keine schnelle Antwort parat, warum sie auch nach sechs Jahre noch gemeinsam an Projekten arbeiten. Den Übergang von der geschützten Hochschule in die Selbständigkeit und auf den freien Markt zu schaffen, das ist für junge Gestalter*innen die wohl größte Herausforderung. Warum es Meyers Fügmann als Duo aber überhaupt gibt, diese Frage ist leicht zu beantworten: wegen Hella Jongerius. Die niederländische Designerin lernte die beiden als Bachelor-Studentinnen an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee während eine Gastprofessur kennen. Daraufhin lud sie sie zum Praktikum in ihrem Berliner Studio ein – unter der Bedingung, das Praktikum zusammen zu absolvieren. Dass aus Sarah und Laura das Duo Meyers Fügmann wurde, das habe eigentlich Hella entschieden, so Meyers. „Sie hat das irgendwie gesehen.“

Eine Sache des Tempos

Einen Grund formuliert Laura Fügmann nach kurzem Nachdenken dann doch: „Wir haben ein ganz gutes Tempo. Einerseits machen wir sehr viele Sachen parallel, aber andererseits sind wir in Vielem sehr langsam.“ Zumindest fühle es sich so an. „Aber dadurch ist es nachhaltiger“, so Fügmann weiter. Ein gutes Beispiel ist ihr Textilprojekt „Slow Patterns“, das die Langsamkeit sogar im Namen trägt. Schon seit mehreren Jahren experimentieren die beiden mit Wohntextilien, die in der Sonne langsam ausbleichen und dadurch ihr Muster verändern. Der Effekt entsteht, weil sie synthetisch eingefärbte Garne mit natürlich eingefärbten mischen – die natürlichen Farben sind weniger lichtecht und verlieren bei UV-Einstrahlung langsam, aber sichtlich an Intensität. Mit „Slow Patterns“ sind sie zum Kulturprojekt Ornamenta nächstes Jahr im Nordschwarzwald eingeladen. Drei Monate lang werden sie dort die Stoffe präsentieren, einmal als Vorhänge in einem Gebäude und als Installation im Außenraum. Das Budget der Ornamenta gibt ihnen zudem die Möglichkeit, neue Muster auszuprobieren. Ohne solche externe Unterstützung könnten sie als unabhängiges Studio die langwierige und teure Textilentwicklung kaum vorantreiben. So nutzten sie vor einigen Jahren eine spezielle Prototypen-Förderung der EU, um die ersten Meter von „Slow Patterns“ weben zu lassen. Ein Stipendium von Designfarm Berlin half ihnen zudem, das Projekt wirtschaftlich und konzeptionell weiterzudenken. Und tatsächlich, die Hartnäckigkeit beginnt sich auszuzahlen, denn erstmals zeigen Unternehmen aus der Textilindustrie Interesse an dem Konzept.

Handwerkliche Produktionsprozesse stehen im Zentrum der Entwürfe von Sarah Meyers (links) und Laura Fügmann (rechts).
© Meyers Fügmann
Die Wohntextilien „Slow Patterns“ verändern ihr Muster im Lauf der Zeit durch Lichteinwirkung.
© Meyers Fügmann

Intelligente Hände

Hella Jongerius ist übrigens auch einer der Gründe dafür, warum es Meyers Fügmann noch gibt. Nicht nur hat sie die Designerinnen miteinander verkuppelt – sie beschäftigt sie seither projektweise in ihrem Studio. „Sie sagt immer, wir sind ihre intelligenten Hände“, so Sarah Meyers. Die beiden produzieren für Jongerius vor allem textile Objekte, etwa für Ausstellung wie die große Schau vor zwei Jahren im Berliner Ausstellungshaus Gropius Bau. In der Arbeit für Jongerius geht es viel ums Experimentieren und Forschen, beispielsweise bei 3D-gewebten Wandarbeiten und selbstkonstruierten Webstühlen.

Weggespülte Wolle

Gründe zum Aufgeben hätte es auch für Laura Fügmann und Sarah Meyers einige gegeben. Manche davon haben sogar einen tragischen Hintergrund: Wie ihnen beispielsweise vor zwei Jahren die Flut im Ahrtal 400 Kilo Wolle wegspülte, die sie für ein Projekt direkt beim Schäfer eingesammelt und eigenhändig sortiert hatten. Die Wolle lagerte bei einer spezialisierten Wäscherei im Flutgebiet. „Wir saßen ahnungslos hier in Berlin im Trocknen“, erinnert sich Sarah Meyers. „Und als wir die Wolle in die Spinnerei schicken wollten, hieß es nur, Sie haben keine Wolle mehr.“ Damit mussten sie das Projekt, eine lokale Wertschöpfungskette für die bis dahin ungenutzte Wolle zu entwickelt, erst einmal um ein Jahr verschieben. Doch jetzt geht es – auch dank einer Förderung – weiter, aus der Wolle sollen Teppiche werden.

Kontraststudien: Bei den „Spray“ Keramiktellern experimentierten die Designerinnen mit verschiedenfarbigen, gesprühten Glasuren.
© Meyers Fügmann

Die Ironie der Energiepreise

Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine haben Meyers Fügmann ebenfalls zu spüren bekommen. Ein langjähriger Partnerbetrieb, mit dem sie Objekte aus Keramik wie die „Spray Plates“ produziert hatten, musste aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise schließen. „Dadurch sind wir ausgebremst“, sagt Meyers. Das Produkt und die Zusammenarbeit seien gut gelaufen, sie wollten eigentlich weitere Projekte mit der Manufaktur entwickeln. Nun müssen sie erst einmal einen neuen Produzenten für die „Spray Plates“ finden. Das Ganze ist umso ironischer, als dass die Designerin eigentlich wegkommen wollten von Produkten, die sie selbst vertreiben. Zu viel Arbeit und zu viel Ablenkung von ihrem eigentlichen Ziel, als Designerinnen im Auftrag der Industrie zu arbeiten. Doch in der Pandemie haben sie die eigenen Produkte wie Platten, Vasen, Wolldecken oder Leuchten finanziell gerettet: Ihr Studio lag im Erdgeschoss, und sie verkauften einfach aus dem Fenster heraus an Passant:innen. „Wir haben mehr verkauft als je zuvor“, sagt Laura Fügmann. Und so sind sie dabei geblieben, sie produzieren selbst und arbeiten für externe Auftraggeber:innen. Offensichtlich braucht es einige Gründe, um ein junges Designstudio am Laufen zu halten.


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