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Die Grafikdesignerin Paula Scher hat Markenidentitäten, Beschilderungen, Verpackungen und Publikationen für eine Vielzahl von Kunden entworfen. Dabei hat sie ikonische und epische Designs mit unerschrockener Einfachheit geschaffen. Seit 1991 ist sie Partnerin in der New Yorker Niederlassung von Pentagram. Ihre Arbeiten für Organisationen wie das Public Theater, das Museum of Modern Art, Shake Shack, Citibank, Microsoft, Tiffany & Co. und die High Line sind zu Meilensteinen des modernen Brandings geworden. Mit ihrer frischen und unverwechselbaren Ästhetik hat Scher Designregeln neu definiert und Standards gesetzt, was ihr zahlreiche internationale Auszeichnungen einbrachte. Anlässlich ihrer Auszeichnung als Personality of the Year beim German Design Award konnten wir mit Paula Scher über ihre Arbeit sprechen.

Paula Scher
Paula Scher, © Christopher Garcia Valle

Sie wurden 1991 Direktorin des New Yorker Büros des Designbüros Pentagram und waren damit die erste Frau in dieser Position. Welche Veränderungen standen ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste?

Als ich zu Pentagram kam, wollte ich lernen, wie man mit großen Firmenkunden zusammenarbeitet oder größere Projekte für kulturelle Einrichtungen in New York City entwirft. Als ich dann in diesen Bereichen erfolgreich war, begann ich damit, mich für eine weitere Partnerin in den USA einzusetzen. Pentagram hat jetzt 5 von 19 Partnerinnen, und das ist immer noch nicht genug.

Typografie spielt eine zentrale Rolle in Ihrer Arbeit. Wann haben Sie die Typografie als wesentliches Gestaltungselement für sich entdeckt?

Im College, an der Tyler School of Art in Philadelphia, studierte ich Grafikdesign und spezialisierte mich auf Illustration. Wir hatten Aufgaben wie die Gestaltung eines Buch- oder Plattencovers oder eines Plakats. Wir mussten sowohl das Bild als auch die Schrift gestalten. Alle Student*innen benutzten Drucktypen, was die „aktuelle Technologie“ war. Ich verstand wirklich nicht, was das sollte. Die meisten Student*innen kauften Helvetica und setzten die Schrift links neben ein Bild. Ich hatte immer Schwierigkeiten, die Drucktype abzuschleifen, und es gab immer Blasen und Risse, und die Lettern waren nicht richtig ausgerichtet.
Mein Lehrer war ein polnischer Illustrator namens Stanislaw Zagorski. Er sagte: „Illustriere mit Schrift“. Er hat mein Leben verändert.

Sie sind nicht nur Designerin, sondern blicken auch auf eine Ausbildung als Kunstlehrerin zurück und unterrichteten später an renommierten Kunstschulen. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, was Sie Ihren Student*innen mit auf den Weg geben können?

Ich versuche, meinen Student*innen zu helfen, das Sehen zu lernen.

Mit Ihrer Arbeit beeinflussen Sie bis heute zahlreiche Designerinnen. Gibt es eine Designerpersönlichkeit, die Sie selbst besonders inspiriert hat?

Ich bin im Laufe der Jahre von vielen Designerinnen aus allen Epochen des Designs beeinflusst worden. Am einflussreichsten waren für mich mein Mann Seymour Chwast und alle meine früheren und heutigen Pentagram-Partner*innen.

Ihre eigene Designerkarriere begann in den frühen 1970er Jahren in New York beim Verlag Random House, wo Sie Layouts für die Kinderbuchabteilung entwarfen. Können Sie sich noch an Ihren ersten Job erinnern?

Ich erinnere mich an die Begegnung mit dem Illustrator Stan Mack, der in mein kleines Büro kam, weil ich ihn dort rauchen ließ. Ich erzählte ihm von der Idee, die ich für ein Kinderbuch hatte, in dem es um Tiere ging, die in einem Brownstone-Apartmenthaus in New York lebten und sich gegenseitig ärgerten und die Wohnungen wechselten, bis sie ihre Probleme gelöst hatten. Es sollte „The Brownstone“ heißen. Ich fertigte ein Diagramm der sechs Wohnungen auf 3 Etagen des Brownstone an.

Stan gefiel die Idee und er sagte mir, er würde sie an einen Redakteur von Pantheon Books (ein Imprint von Random House) verkaufen, wenn ich ihn sie illustrieren lassen würde. Das tat ich, und das Buch wurde 1973 veröffentlicht und ist heute noch im Druck. Seitdem hatte ich nie wieder eine Idee für ein Kinderbuch.

Paula Scher
The big a, poster 1991, © Paula Scher
Paula Scher
Bring in ´da Noise, bring in ´da Funk – The Public Theatre, poster 1997, © Paula Scher
Paula Scher
Henry V – The Public Theatre, poster 2016, © Paula Scher

Die Neue Sammlung – The Design Museum in München zeigt vom 23. Juni bis 22. September 2023 das umfangreiche und vielfältige Werk von Paula Scher in der neu entwickelten raumbezogenen Ausstellung „Paula Scher: Type is Image“.

In den 1970er Jahren arbeiteten Sie auch acht Jahre lang für CBS Records, wo Sie zahlreiche Plattencover entwarfen. Welche Musik aus dieser Zeit hat Sie bei der Gestaltung am meisten inspiriert?

In den 70er Jahren mochte ich noch Bob Dylan, die Beatles, die Rolling Stones, Marvin Gaye, Stevie Wonder, Ray Charles, Aretha Franklin, Elton John, Van Morrison, Eric Clapton, das ganze normale Zeug. Ich habe eine Menge Jazz-Alben entworfen, die ich erst viel später zu schätzen gelernt habe. Die einzige Person, die ich erwähnt habe, die bei CBS Records war, war Bob Dylan.

Die von Ihnen entworfenen visuellen Identitäten, z. B. für Microsoft oder Citibank, werden von vielen als Paradebeispiele für die zeitgenössische Erneuerung amerikanischer Marken angesehen. Warum, glauben Sie, wird gerade Ihre Arbeit von der Öffentlichkeit als repräsentativ für modernes Design und Ästhetik wahrgenommen?

Bei beiden Beispielen waren meine Lösungen viel einfacher als ihre Vorgänger. Aber sie waren genauso, wenn nicht sogar besser, wiedererkennbar.

Welche maßgeblichen Kriterien würden Sie verwenden, um Ihre Vorstellung von „modern“ oder „zeitgenössisch“ zu definieren?

„Modern“ bedeutet im Grafikdesign in der Regel eine einfache oder sparsame Form. Zeitgenössisch“ bedeutet in der Regel, dass sich das Design der derzeit populären Gestaltungsmittel bedient.

In den mehr als vierzig Jahren Ihres Schaffens haben Sie eine ganze Reihe von Regeln im Bereich des visuellen Designs aufgestellt. Viele davon haben Sie später selbst in Frage gestellt und gebrochen. Gibt es eine Regel, die die Jahrzehnte überdauert hat? Und wenn ja, welche?

In allen Dingen sollte man versuchen, nicht langweilig zu sein.


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