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Seit fast 20 Jahren führt Patric Draenert in zweiter Generation das gleichnamige Familienunternehmen am Bodensee. Wir sprachen mit ihm über die Tradition der Möbel-Manufaktur, aktuelle Trends und Herausforderungen.

Interview von Gerrit Terstiege

Patric Draenert © DRAENERT

Herr Draenert, Möbel mit Naturstein sind nach wie vor Ihr Kerngeschäft.  Wie hält man eine Marke jung und aktuell, die für die Verarbeitung von Millionen Jahre alten Steinplatten bekannt ist?

Wir versuchen die Marke jung zu halten, etwa indem wir immer wieder mit neuen Designern und Designerinnen zusammenarbeiten – oder auch andere Materialien ausprobieren. Wir bieten ja nicht nur Naturstein-Tische an, sondern auch Holz- und Glastische. So gehen wir immer wieder neue Wege. Vor allen Dingen haben die Ergänzung der Kollektion und das gesamte Stuhlsortiment die Marke weitergebracht und aktuell gehalten – was mittlerweile eine wichtige Säule der Umsätze darstellt. Wir sehen bei Natursteinen in den letzten Jahrzehnten große Trends und auch Trendwechsel. War zum Beispiel früher eher der homogene Granit begeht, wir nennen ihn „Salz- und Pfefferstein”, so spielt der heute praktisch keine Rolle mehr. Aktuell ist entscheidend, dass die Steine eine tolle Farbstruktur haben – eher wild sind, vom Charakter her und farblich spannend. Meistens sind das dann bestimmte Marmorsorten und Kalksteine.

Sie sprachen es gerade schon an: DRAENERT hat schon mit einer ganzen Reihe renommierter Architekt:innen und Designer:innen zusammengearbeitet, darunter Oswald Mathias Ungers, Hadi Teherani, Ron Arad. Nach welchen Kriterien wählen Sie  Ihre Gestalter und Gestalterinnen aus?

Auf Messen oder in Gesprächen ergeben sich die meisten neuen Kontakte. Zum Teil kommen die Designer mit ihren Ideen auf uns zu. Am Ende ist es wichtig, dass wir persönlich miteinander klarkommen. Eine Produktentwicklung ist immer eine langwierige Sache, auch eine vertrauensvolle Sache. Und wenn da die Chemie stimmt, dann macht das Spaß, ein Projekt gemeinsam zu optimieren. Da zieht man am besten am gleichen Strang. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass sich die Designer:innen auch auf unsere Nische einlassen. Wir haben ja ein relativ schmales Sortiment mit dem Fokus auf Tisch und Stuhl. Dafür gehen wir da in die Tiefe. Also, er oder sie muss schon die DNA von DRAENERT verstehen.

Wie würden Sie denn einem jungen Designer oder einer jungen Designerin die Marke DRAENERT beschreiben?

Ganz einfach: Wir sind eine exklusive deutsche Möbelmanufaktur. Wir stellen hochwertige Produkte her im Bereich des klassisch-modernen Designs, aber mit internationaler Ausrichtung. Unser Exportanteil ist deutlich gestiegen, und das muss sich auch in der Kollektion widerspiegeln. Das Individuelle ist gesucht, auch vielleicht das exklusive Design, das man eben nicht im Mainstream findet. Und das darf dann auch durchaus von den Materialien her anspruchsvoll sein. Wir suchen nach den jeweils besten technischen Lösungen, abgestimmt auf die verschiedenen Materialien – etwa mit unserem 3D-Drucker. Da sind wir breit aufgestellt.

Was genau ist Ihnen bei den Arbeitsprozessen wichtig?

Der handwerkliche Anteil unserer Produktion ist nach wie vor hoch. Wir haben auch CNC-Maschinen im Einsatz, Steinscanner, jetzt haben wir kürzlich einen Cutter zugelegt für den Zuschnitt der Stoffe. Aber was  unser Handeln und Denken dominiert, ist die Manufaktur. Wir haben alle Gewerke unter einem Dach. Das heißt, nicht nur die Steinverarbeitung, sondern eben auch die von Holz, Metall, Glas, Lack, und die Polsterei – alle diese Materialien können wir hier bearbeiten. Alles Made in Germany. Wir haben natürlich ein großes Netz an Zulieferern für Komponenten, für Rohteile und so weiter. Aber jedes Produkt wird hier in Immenstaad am Bodensee hergestellt, veredelt, endkonfiguriert und montiert. Der letzte Wertschöpfungsschritt wird immer hier gemacht.

Schreinerei © DRAENERT
Steinabteilung © DRAENERT

Aber die Steine selbst, die Steinplatten kommen aus aller Welt. Haben Sie Scouts in den verschiedenen Ländern, die Steine für Sie auftun?

 Ja, im Natursteinbereich geht es unheimlich international zu. Wir bekommen Materialien aus der ganzen Welt, viele Exemplare aus Brasilien, aus Indien, Italien, aber auch Neuseeland, Australien oder Südamerika. Wir haben tatsächlich in den großen Werken Steinagenten, die uns auf dem Laufenden halten, die uns informieren, wenn ein neues Material auf den Markt kommt. Man muss aber wissen: der größte Steinmarkt ist traditionell Italien. Und die Italiener haben viele Abbaurechte in der ganzen Welt – Minen, die sie selber betreiben und dann die Blöcke nach Italien bringen, zur Weiterverarbeitung. Wir haben über Jahrzehnte ein breites Netzwerk aufgebaut an unterschiedlichen Kontakten, die uns regelmäßig informieren, mittlerweile digital, und uns einfach per Foto sehr schnell neue Materialien anbieten.

Ganz allgemein ist die Situation für Möbel-Unternehmen in den letzten Jahren ja nicht einfach gewesen. Corona hat Besuche in Showrooms und Läden stark reduziert, wichtige internationale Messen fielen aus. Und der Krieg in der Ukraine lässt derzeit Transportkosten und Holzpreise steigen. Wie kommen Sie durch diese immer noch herausfordernde Zeit? Von höheren Transportkosten sind Sie sicher besonders betroffen, weil die Steine  einfach unendlich schwer sind, oder?

 In der Tat waren die letzten fünf Jahre  sehr unruhige Zeiten mit  vielen Unsicherheiten und großen Einschnitten. Corona war  am Anfang ein Thema, das wir alle nicht einschätzen konnten, vor allen Dingen durch die langen Lockdowns. Im Einzelhandel hatten wir enorme Umsatzeinbrüche. Allerdings ging es dann auch unheimlich schnell wieder nach oben, als die Geschäfte wieder öffnen durften. Unterm Strich, im Nachhinein bilanziert, war die Corona-Zeit eher positiv für die Möbelbranche. Die Leute haben sich auf das Cocooning, auf ihr Zuhause konzentriert, haben Haus und Hof renoviert und da viel investiert, weil sie auch nicht reisen konnten. Da waren die eigenen vier Wände wieder sehr bedeutend und man hat da echt Geld in die Hand genommen. Aber wir wussten, dass das Pendel auch wieder in die andere Richtung ausschlägt. Irgendwann ist der Bedarf gedeckt und die Leute wollen ja auch wieder reisen. Und das spüren wir heute. Die Konsumlaune ist im Moment eher im Keller. Und es ist echt enorm, wie teuer die Materialien geworden sind. Nicht nur die Frachtkosten, die uns auch sehr betreffen, vor allen Dingen im Thema Stein und im Rohwarenzukauf. Dann betrifft uns durchaus auch der Fachkräftemangel, man hört oder liest das ja tagtäglich in den Medien. Aber das ist echt ein enormes Problem, was ich in 25 Jahren noch nie so erlebt habe. Der Markt ist wirklich leergefegt.

An Ihrem Standort wird es wohl kaum liegen – viele schätzen ja den Bodensee als Urlaubsregion. Aber wie schaffen Sie es, weit entfernte Kundinnen und Kunden, aus Düsseldorf, Hamburg oder Berlin, für eine Reise nach Immenstaad zu gewinnen?

 Zum einen reisen die Leute wirklich gerne. Im Sommer kommen sowieso viele Gäste hierhin. Und im Winter fahren viele in die Berge, sei es nach Österreich oder in die Schweiz. Das nutzen die Kundinnen und Kunden dann wirklich gerne, entweder als Zwischenstopp oder sogar mit einer kleinen Verlängerung hier am Bodensee. Wenn die Möglichkeit im Raum steht, sich eine individuelle Platte für den Tisch auszusuchen, haben viele das  Gefühl: „Mensch, das ist es wert, sich für die Auswahl Zeit zu nehmen.“ Und die Zeit, die ist wirklich gut investiert. Der Esstisch ist ja der zentrale Punkt der ganzen Familie. Da verbringt man  mehrere Stunden am Tag. Nicht nur essen, sondern da machen die Kinder Hausaufgaben, man bespricht Themen, macht die Urlaubsplanung und alles Mögliche am Tisch. Das ist der zentrale Ort.

Stichwort Social Media: Sie bespielen einen offiziellen Draenert-Account bei Instagram – und einen persönlichen, auf dem man aber auch viel über ihr Familienunternehmen erfährt. Warum also diese Trennung?

Als Familienunternehmer kann man natürlich nicht genau trennen. Das ganze Leben ist  immer Privat und Firma zusammen. Klar, wir haben einen Firmen-Account, der auch professionell betreut wird von einer Freelancerin und einer Agentur, gemeinsam mit meiner Frau, die die Inhalte da festlegen und einen Redaktionsplan erstellen für die nächsten Wochen. Mein privater Account, den mache ich intuitiv, spontan, wenig strategisch überlegt. Wenn da eine schöne Sache ist in meinem Leben, poste ich die, egal, ob das jetzt privat ist, aus dem Urlaub oder auch mal von der Messe oder andere Themen. Da gehe ich rein nach dem Bauchgefühl vor, gar nicht strategisch.

© DRAENERT

Eine letzte Frage: Was planen Sie in naher Zukunft? Ich habe den Eindruck, dass das Thema Outdoor gerade wichtiger wird.

 Das ist in der Tat ein großes neues Trendthema, das wir jetzt bespielen und ausbauen. Wir haben eben auch durch Corona festgestellt: Die Wertschätzung für das eigene Zuhause wächst und es geht mehr Richtung Terrasse und Garten. Für uns bedeutet das, bestehende Esstische, die Verkäufer schon gut kennen, Outdoor-tauglich machen. Und da spielt uns natürlich der Naturstein in die Karten. Es gibt kein besseres Material für den Outdoor-Bereich. Der Stein kommt  von draußen, der gehört nach draußen, der ist Jahrmillionen Jahre draußen gewesen. Viele Firmen versuchen jetzt, Outdoor-Themen aufzugreifen, was oft konstruiert wirkt. Es passt nicht wirklich rein in deren Firmenphilosophie. Das ist bei uns anders, Naturstein ist das perfekte Material für draußen. Und so haben wir eben  eine Outdoor-Kollektion aufgebaut und werden die jetzt auch hier an unserer Orangerie präsentieren. Wir sind gerade dabei, mit unserem Landschaftsgärtner eine neue Fläche von 500 Quadratmetern anzulegen, wo wir die Möbel inszenieren und eine ganz eigene Erlebniswelt schaffen. Das ist eine sehr glaubwürdige Story, die wir da erzählen können.


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