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© Immigration, Refugees and Citizenship Canada

Erst Norwegen, dann Belgien, jetzt Kanada: Neue Reisepässe sollen nicht nur sicherer werden, ihr Grafikdesign soll auch originell und ansprechend sein. Das weckt Sympathien und dient dem Nation Branding.

Von Thomas Wagner

Wie stellt sich eine Nation nach innen und nach außen dar? Wodurch wird das Bild geprägt, das die eigenen Bürgerinnen und Bürger, aber auch Ausländerinnen und Ausländer von einem Land gewinnen? Kann gelungenes Design helfen, sympathisch zu wirken? Oder bleibt das Image eines Landes im Ausland von Klischees behaftet? In Zeiten permanenten globalen Austauschs und einer auf Aufmerksamkeit getrimmten Kommunikation, erscheint ein mit Marketingstrategien aus der Wirtschaft verwandtes Nation Branding durchaus reizvoll. Die Ziele liegen auf der Hand: Nationale Eigenheiten betonen, eine positive Ausstrahlung generieren, um Tourismus, Export und Investitionen ausländischer Unternehmen zu fördern. Kurzum: Positiv gesehen und als sympathisch wahrgenommen werden. Es mag manche überraschen: Deutschland landete 2022 zum sechsten Mal in Folge auf dem ersten Platz des Anholt-Ipsos Nation Brands Index (NBI), vor Japan und Kanada.

Der Pass als Aushängeschild der Nation

© Immigration, Refugees and Citizenship Canada

Eine Möglichkeit unter vielen, wie sich eine Nation auf vergleichsweise einfache Weise Sympathien erwerben kann, sind ihre Pässe. Nicht nur als Teil der Staatsbürgerschaft, sondern als ansprechend gestaltetes Aushängeschild, das bei jeder Reise ins Ausland wahrgenommen wird. Geschickt designte Pässe können ein Land unverwechselbar, weltoffen, kreativ und der Zukunft zugewannt  erscheinen lassen, wo andere rückständig, gar altbacken wirken. Norwegen (ndion vom 9. November 2020) und Belgien (ndion vom 8. Februar 2022) haben in den zurückliegenden Jahren vorgemacht, wie man mit überzeigendem Passdesign die eigenen Bürgerinnen und Bürger, aber auch Designaffine aus anderen Ländern, für sich gewinnen kann. Hauptgrund, die vorhandenen Pässe zu überarbeiten, mag die Einführung modernster Sicherheitsmerkmale sein; gleichwohl müssen die neuen Exemplare auch auf einer symbolischen Ebene durch das Konzept und die Qualität ihres Grafikdesigns. überzeugen.

Der Pass als Zeichen, stolzer Staatsbürger zu sein

Dass man das Nation Branding beim Passdesign durchaus im Auge hat, bestätigt die kanadische Regierung, wenn sie bei der Vorstellung der neu gestalteten Dokumente schreibt: „Der kanadische Reisepass ist eines der wichtigsten und angesehensten Reisedokumente der Welt. Die einen nutzen ihn, um ihre Lieben wiederzusehen, um zu entdecken und Abenteuer zu erleben. Für andere ist er der letzte Schritt auf ihrer Einwanderungsreise, um kanadische Staatsbürger zu werden und sich einer vielfältigen und integrativen Gesellschaft anzuschließen, die Demokratie, Freiheit und Menschenrechte schätzt.“

Der Pass als fälschungssicheres Dokument

© Immigration, Refugees and Citizenship Canada

Die derzeit aktuelle Version des kanadischen Passes wurde im Jahr 2013 herausgegeben. 2019 hatte die Regierung mit der Canadian Bank Note Company einen Vertrag mit einer Laufzeit von 14 Jahren abgeschlossen, um die nächste Generation von Pässen entwickeln und entwerfen zu lassen. Zu den neuen Sicherheitsmerkmalen, die die Identität der Kanadierinnen und Kanadier schützen sollen, gehört eine Datenseite aus Polycarbonat (das länger haltbar ist und weniger leicht durch Wasser beschädigt werden kann), in die persönliche Daten mittels eines Lasers eingraviert statt nur aufgedruckt werden. Beides soll Manipulationen und Fälschungen erschweren. Hinzu kommen ein Kinegramm über dem Hauptfoto, ein Durchsichtfenster mit einem zweiten Bild des Passinhabers, ein variables Laserbild sowie temperaturempfindliche Tinte (in Form eines Rehs und einer Schneeflocke).

Neuer König, altes Wappen

Kanada gehört zu den ersten Ländern des Commonwealth, die eine Reisedokumentenserie mit Bezug auf Seine Majestät König Charles III. einführen. Wobei der neue Pass noch das frühere Wappen der britischen Königin zeigt, da er gestaltet wurde, bevor das neue Königswappen genehmigt wurde. Den Umschlag der neuen Pässe, die im Spätsommer erstmals ausgegeben werden sollen, wie könnte es auch anders sein, zieren diverse Ahornblätter, auf der Vorderseite im Umriss.

Menschen, Landschaften, Tiere

Die Visaseiten feiern Kanadas natürliche Schönheit über alle vier Jahreszeiten hinweg. Dabei macht man sich den Effekt zu nutzen, dass die stilisierten, nett wirkenden Bilder von Menschen, Landschaften und Wildtieren deutlich nur in ultraviolettem Licht erscheinen. In der Frühlingsszene ist eine Bärenmutter mit ihren Jungen auf einem verblassten blauen und grünen Hintergrund dargestellt. Im Sommer wird gepaddelt und neben Schilfkolben freudig ins Wasser gesprungen. Die in hellen Rot- und Gelbtönen gehaltene Herbstszene zeigt einen großen Maiskolben und Kinder, die Kürbisse auf einem Feld ernten. Und im Winter tummeln sich vor einem Farmhaus Greifvögel. Sämtliche Szenen sind partiell mit kleinteiligen Mustern hinterfangen und nehmen eine lebendigere Gestalt an, sobald sie in ultraviolettem Licht betrachtet werden.

Spring Passport © Immigration, Refugees and Citizenship Canada
Fall Passport © Immigration, Refugees and Citizenship Canada
Summer Passport © Immigration, Refugees and Citizenship Canada
Winter Passport © Immigration, Refugees and Citizenship Canada

„Der neue kanadische Pass“, so Sean Fraser, Minister für Einwanderung, Flüchtlinge und Staatsbürgerschaft, „ist mehr als nur ein Reisedokument; er ist eine Darstellung unserer nationalen Identität und unserer Werte. Er erinnert an die Schönheit und Vielfalt Kanadas und spiegelt das Engagement des Landes wider, Menschen aus der ganzen Welt willkommen zu heißen.“ Auch verbal versteht man sich in Ottawa auf Nation Branding.


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